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Scharfe Wörter aus meinem Giftkabinett

Heute möchte ich ein Exempel statuieren. Nein, falsch. Ich möchte die Probe aufs Exempel machen. Nein auch das nicht.

Heute möchte ich Intimes preisgeben.

Als ehrgeiziger Fremdsprachler war ich schon immer bestrebt, Ihre deutsche Muttersprache so zu beherrschen, dass meine Identität als Ausländer (zumindest in der Schriftsprache) akzentfrei erscheint. Als Messlatte für die Realisierung dieses ersehnten Zustands hatte ich zwei coole Redewendungen „Exempel statuieren“ und „die Probe aufs Exempel machen“, ausgewählt. Wenn ich in der Lage bin, diese unauffällig in einem Satz unterzubringen, habe ich‘s mir jedenfalls eingebildet, so als würde ich einfach „der Kaffee ist kalt“ oder „keiner mag Ungeziefer“ über die Lippen bringen, dann wüsste ich: Ich bin so weit.

Und es fällt auf, wie behände ich mit Ihrer Sprache umgehe – fast wie der Töpfer mit dem nassen Ton. Oder? Nein, im Gegenteil. Inzwischen weiß ich, dass mein Ziel in weiter Ferne liegt. Mir ist nämlich klar: Für manche Vokabeln dieser deutschen Sprache habe ich nach wie vor ein taubes Ohr. Damit meine ich: Es gibt gewisse Wörter, deren Sinn meiner Aufnahmefähigkeit entgehen. Es schmerzt mir sehr, dies eingestehen zu müssen.

Hier möchte ich Ihnen manche der schlimmsten aus meinem privaten Wörtergiftschrank vorstellen.

Zum Beispiel: „indes“ und „indessen“. Ich wäre so froh, wenn ich dieses konträre Zwillingspaar selbstbewusst und unzögerlich in meine Sätze einbauen könnte. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe „indes“ schon öfters in Sätzen geschrieben. (An „indessen“ wage ich mich gar selten heran!) Machen Sie selbst die Probe aufs Exempel: Googeln Sie die Stichworte „Sprachbloggeur“ und „indes“. Sie werden mehrere Beispiele meines Wagemutes entdecken. Trotzdem fühle ich mich jedesmal unwohl dabei.

Noch schlimmer ist indes jene schreckliche Vokabel „nachgerade“. Mit Verlaub: Wann haben Sie, liebe Muttersprachler, zum letzten Mal „nachgerade“ in einem eigenen Satz verwendet? Ich persönlich habe eine richtige Phobie gegen dieses Wort. Und ich habe seinen Sinn, so sehr ich mich bemüht habe, noch nie einprägen können. Wenn ich einen fremden Satz , in dem es vorkommt, lese, muss ich es jedesmal im Wörterbuch nachschlagen. Wenn ich es selbst in einem Satz verwenden würde, käme ich mir wie ein Hochstapler vor.

Das Problem ist berechtigt. Denn „nachgerade“ hat – so Duden – zwei Bedeutungen: 1.) „nach und nach“ 2.) geradezu. Wie kann ein einziges Hilfswort zwei so unterschiedliche Bedeutungen haben?! Gleiches gilt übrigens für „indes“/“indessen“. Diese zickige Zweisamkeit drückt sowohl eine Gleichzeitigkeit wie auch eine gewisse Gegensätzlichkeit aus. Alles klar? Wie soll ein sprachgeschundener Migrationshintergründler wie ich so etwas jemals kapieren?

Und noch ein Beispiel aus dem Giftkabinett. Hier geht es um den scheußlichsten Begriff in der deutschen Sprache überhaupt: „gleichsam“. Ein tückisches Wort. Denn Jahre lang habe ich mir eingebildet, ich verstehe dessen Sinn. Für mich war es schon immer die niedliche Kusine von „gleichfalls“ oder „ebenfalls“. Ha! Heute sehe ich mich genötigt, dieses Scheißwort jedesmal nachzuschlagen. Ich merke es mir so gut wie n i e.

Denn dieses Wort bedeutet zeitgleich „sozusagen“ und „gewissermaßen“. Wie ist das möglich? Mein Hirn streikt indes, wenn ich versuche diese Frage zu beantworten. Deshalb habe ich noch nie versucht, das Wort in einen Satz einzubauen. Ja und bitte schön: Wann haben Sie es zum letzten Mal benutzt? Hmm?

Sie sehen. Heute habe ich mich nachgerade aus dem Fenster gelehnt. Indessen habe ich gleichsam meine schöne Maske der Souveränität fallen lassen. Ist doch okay. Es tut manchmal gut, Verschämtes zuzugeben. Wie soll man sonst in der Lage sein, ein Exempel zu statuieren?

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