„Ich werde dir erklären, wie du die Trefferzahl deines Blogs schnell in die Höhe treiben kannst“, sagte mein lieber alter Freund Sandy, der letzte Woche in München zu Besuch war.
Nicht, dass ich ihm etwa vorgejammert hätte, „Der Sprachbloggeur“ habe zu wenig Verkehr. Im Gegenteil. Es geht uns gut. Doch Sandy wollte mir von einem Experiment berichten, das er in Frankreich, wo er heute lebt, ausprobiert hat.
„ Ich habe einen Blogbeitrag mit folgender Überschrift veröffentlicht: ‚Zehn Kilo an einem Tag abnehmen!’ Und stell dir vor: Innerhalb von nur wenigen Tagen wurde der Text 400.000 Mal angeklickt.“
Ehrlich gesagt, ich war skeptisch. Sandy übertreibt manchmal gerne. Schotten – er ist geborener Kirkcaldyier – macht es Spaß, „to take the pish outta ya“. Zu Deutsch – dem Sinne nach – „dich auf den Arm zu nehmen“. Wortwörtlich: „dir den Harn herauszuziehen“, was auch immer das bedeutet.
„Auch ich hätte eine Idee für eine reißerische Überschrift“, erwiderte ich. „Schon lange wollte ich einen Aufsatz mit dem Titel ‚Eine Grammatik der Pornographie’ schreiben.“
„Yi’ve gone completely doo-lally“, antwortete er. Zu Deutsch: „Du spinnst vollkommen.“
„Wieso?“
„Porno ist so grammatikalisch wie ich, wenn ich bevied (betrunken) bin. Oder meinst du etwa solche Unterschiede wie ‚aktiv’ und ‚passiv’ ‚männlich’, ‚weiblich’ und ‚Neutrum’? Da könntest du schreiben, dass einer seinen Nominativ in den Akkusativ des anderen geführt hat, während der Dativ nur zuschaute. Das wird deinen deutschen Lesern bestimmt gefallen, Jimmy. Deren Sprache erinnert mich mit all den Fällen ohnehin ans Lateinische.“
„Nein, im Ernst“, antwortete ich. „Pornographie ist tatsächlich eine Art Sprache, die gewissen grammatikalischen Regeln folgt.“
„Nu yer takin’ the pish outta me.“
“Nein, sei nicht so ein ‘dunderheed’“, sagte ich. Nach so vielen Jahren Freundschaft erlaube ich mir gelegentlich den Gebrauch seines Dialekts. Dafür verwendet er manchmal meine Amerikanismen. „Schau. Porno kann ohne eine Grammatik gar nicht existieren. Sie hat die Aufgabe, Sex glaubhaft zu präsentieren. Oder? Ohne einen bewussten Inszenierungsplan, würde kein Zuschauer in der Lage sein, das zu verstehen, bzw. mitzuempfinden, was zwei (oder mehrere) bezahlte – wenn auch nackte – Schauspieler vorführen. Letztendlich kann man Sex nicht wirklich sehen, nur ahnen und darüber fantasieren. In Pornofilmen wird also das Unsichtbare durch strenge grammatikalische Regeln sichtbar gemacht. So einfach ist es. Das macht auch eigentlich jede Sprache. Die Grammatik der Pornographie hat aus diesem Grund nicht von ungefähr viel mit der Kameraperspektive zu tun.“
„Mich kannst du nicht überzeugen. Aber du warst schon immer ein Theoretiker, Laddie. Doch jetzt fällt mir ein: Ich habe dir immer noch nicht verraten, wie man an einem Tag zehn Kilo abnimmt.“
„Du meinst doch nicht im Ernst, dass so was möglich ist.“
„’Honest injun’, wie ihr Amerikaner sagt. Man kann sehr wohl an einem Tag zehn Kilo abnehmen. Kannst du nicht erraten, wie?“
„Keine Ahnung.“
„Ganz einfach: Man lässt sich den Kopf abhacken.“
„Nur zehn Kilo wiegt ein Kopf?“ „Ay, laddie, jes tin kilos.“
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