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Heute speckt der Vorstandsvorsitzende ab

Vorstandsvorsitzender: (Seine teuer beschuhten Füße liegen auf seinem großen Schreibtisch in seinem Büro oben auf der Chefetage) Wer sind Sie? Wie sind Sie in mein Büro gekommen?

Der Tod: Ich klopfe nie an.

Vorstandsvorsitzender: (richtet sich auf) Werden Sie nicht frech. Wissen Sie, wer ich bin?

Der Tod: Ja.

Vorstandsvorsitzender: Wurm! Wurm! Kommen Sie sofort! Holen Sie die Polizei!

Der Tod: Er kann nichts hören.

Vorstandsvorsitzender: Seien Sie nicht so sicher. Er springt, wenn ich nur laut vor mich hinflüstere. Fast kann er meine Gedanken lesen – zumindest die Gedanken, die er lesen darf. Dafür bezahle ich ihn. Arbeiten Sie für mich?

Der Tod: Gewissermaßen ja.

Vorstandsvorsitzender: Ach, jetzt verstehe ich. Sie sind von einer Outsourcingfirma. Druckerei, oder? Sieht man Ihnen fast an, ich meine die schwarze Kleidung. Aber ohne Anmeldung kommt keiner zu mir. Verstehen?

Der Tod: Siehst du mein Schwert nicht, o Sterblicher. Ich halte es über dein Gesicht…

Vorstandsvorsitzender: …Unverschämt! Was erdreisten Sie sich! Mich zu duzen! Eine Frechheit! Wurm! Kommen Sie sofort!

Der Tod: Wenn ein Mensch mein Schwert erspäht, macht er seinen Mund vor Entsetzen weit auf. In dem Augenblick tröpfelt von meinem Schwert eine bittere schwarze Perle meines Gallensaftes in seinen Mund, und er folgt mir willfährig in die nächste Welt.

Vorstandsvorsitzender: Sie sind entlassen! Verstehen Sie „entlassen“? Machen Sie, dass Sie wegkommen, oder ich schwöre, ich werde  von meinem Hausrecht Gebrauch machen. Darauf können Sie Gift nehmen. Wurm! Wo sind Sie verdammt nochmal.

Wurm: (tritt eilig in den Raum) Sie haben gerufen, o Herr?

Vorstandsvorsitzender: Werfen Sie diesen, diesen Menschen raus! Rufen Sie die Polizei! Sofort! Ja, und seine Firma soll sofort gekündigt werden.

Wurm: Welchen Menschen, o Herr?

Vorstandsvorsitzender: Der da mit dem komischen Schwert…Hoppla! Er ist weg! Hmmm. Das verstehe ich nicht.

Wurm: Vielleicht haben Sie nur geträumt, o Herr.

Vorstandsvorsitzender: Geträumt! Träume sind für Schläfer. Ich träume nie – erst recht nicht bei der Arbeit! Irgendwo muss er doch sein. Schauen Sie hinter die Gardinen.

Wurm: (schaut hinter die Gardinen) Tut mir leid, o Herr. Ich sehe niemanden.

Vorstandsvorsitzender: Komisch. Vielleicht habe ich doch nur geträumt. So was ist mir noch nie passiert.

Wurm: Es ist bestimmt das Wetter. Gestern hatten wir fünfzehn Grad. Heute plötzlich achtundzwanzig. Es kommt manchmal vor, wenn man…

Vorstandsvorsitzender: …wenn man alt wird?

Wurm: Nein, o Herr. Wenn man überarbeitet ist.

Vorstandsvorsitzender: Nein, es war ein Zeichen. Ja, genau. Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl. Ich muss wieder die Gewinne maximieren. Das ist es. Holen Sie mir die Liste, Wurm.

Wurm: Meinen Sie die Liste?

Vorstandsvorsitzender: Ja, die Liste. Heute stelle ich drei Blätter ein und kündige ein Zehntel der Belegschaft. Geld sparen, Gewinne maximieren. Das tut gut. Niemand soll behaupten, es gebe kein Heilmittel gegen schlechte Träume.

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