Bevor ich meine Kenntnisse über den Tod Osama bin Ladens preisgebe, muss ich unbedingt die englische Vokabel „to upstage“ erklären. Man übersetzt dieses Zeitwort am schönsten mit „jemandem die Schau stehlen“.
Dieser Begriff hat seinen Ursprung im englischsprachigen Theaterjargon. Die Bühne („stage“) wird nämlich in Quadranten eingeteilt: „downstage“ (Richtung Publikum), „upstage“ (nach hinten) „stage left“ und „stage right“.
Stellt sich ein Schauspieler zwischen Publikum und einem Kollegen, so dass der Kollege im Zuschauerraum unsichtbar wird, so hat er seinen Kollegen „ge-upstage-t“. Das „upstaging“ gilt als eine der schlimmsten Berufssünden der Schauspielerei.
Das weiß ich so genau, weil auch ich in meinen jungen Jahren geschauspielert habe. Einem jungen Schauspieler wird schnell eingeschärft, das „upstaging“ tunlichst zu vermeiden.
Nun zu meinen Kenntnissen über den Tod von Osama bin Laden. Ich weiß: Heute schreiben alle über bin Laden. Aber nur wenige verfügen über die gleichen Quellen wie ich. Diese werde ich selbstverständlich für mich behalten.
Inzwischen weiß jeder, der nicht dement ist oder gerade auf dem Amazonasfluss fährt, dass bin Laden nördlich von Islamabad im Ort Abbottabad in einer sehr feudalen Villa in großem Komfort gewohnt hat. Verständlich auch, dass er so gehaust hat. Keiner lebt freiwillig in einer Höhle in den Bergen, vor allem nicht, wenn er aus reicher Familie stammt. Was nur wenige wissen: Osama lebte in Abottabad als Rentier, hatte also viel Muße, um schöne Traumüberfälle zu planen und vielleicht auch das künftige Kalifat zu erträumen.
Außerdem weiß jeder, dass er in seinem noblen Domizil weder Internet noch Telefon hatte. Denn er hatte Angst, man könnte ihn via GPS aufspüren oder ihn, falls er auf ein „Phishing“-Angebot eingegangen wäre, schnappen. Auch ein Fernseher fehlte im schnieken Haus. Bloß keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen war seine Losung. Das Leben ohne TV konnte er aber gut ertragen. Das Programm in Pakistan ist für seine Einfältigkeit bekannt. Man bekommt nicht einmal „Tatort“ oder „Der Bulle von Tölz“ zu sehen.
Am 29. April hätte er aber gerne geglotzt. Denn er wollte – wie mehr als die Hälfte der Welt – unbedingt die Prachthochzeit der Royals William und Kate am Bildschirm mitverfolgen. Jeder weiß – auch Osama bin Laden – , dass kein Spektakel auf der ganzen Welt so prunkvoll ist wie eine königliche Hochzeit in England. Nicht einmal die Chinesen sind in der Lage (zumindest noch nicht), diese englische Spezialität zu klonen oder billiger zu produzieren.
Was machte Osama also? Er ging zu den Nachbarn, klopfte an und fragte, ob er bei ihnen die Hochzeit gucken dürfe. In Abbottabad sind Leute mit wuschligem grauem Bart und Turban keine Seltenheit. Keiner kam darauf, dass es der „Terrorfürst“ war, der auf der Matte stand. Dies war übrigens sein erster Ausflug aus der Villa, seitdem er im August 2010 in Abbottabad eingetroffen war. Im Orient wird die Gastfreundschaft sehr groß geschrieben. Man hat den Erzterroristen a.D. willkommen geheißen. Er bekam Coca Cola und Erdnussknabberli und schaute sich mit den Nachbarn die einmalige englische Hochzeit mit großen Augen an.
Was Osama nicht wusste: Seit Monaten hatten ihn diverse Geheimdienste im Visier. Jeder vermutete, dass er in der Villa in Abbottabad war. Doch niemand hatte ihn bisher gesichtet.
Und nun die Bestätigung. Im Nu hatten die Geheimdienste unter Führung der Vereinigten Staaten ihre Pläne für den Ernstfall ausgeheckt. Man war bereit, den Führer des Weltterrorismus endgültig unschädlich zu machen. Er wiederum war noch ahnungslos, als er, von den schönen Bildern beflügelt, nach Hause schlenderte.
Den Rest dieser Geschichte können Sie auf tausenden Webseiten oder in ebenso vielen Zeitungen und Fernsehberichten im Überfluss erfahren. Ich brauche nicht darüber zu informieren.
Nur auf eins will ich hier aufmerksam machen: Osamas Tod war faktisch sein letzter Terrorakt. Damit meine ich nicht den Angriff gegen ihn, sondern sein Sterben selbst. Wie komme ich darauf? Er hat es nämlich mit seinem Tod geschafft, William und Kate die Show zu stehlen, was schade ist, denn die Royals hatten sich diese Werbung für die Monarchie viel kosten lassen und natürlich gehofft, die Medien würden über Willi und Kate noch tagelang weiter berichten. Dann plötzlich klassisches Upstaging seitens Osamas, wenn auch diesmal wahrscheinlich ungewollt. Man sieht: Wer einmal Terrorist wird, kann kaum mehr aufhören, egal was er tut, das Leben anderer zu versauen.
Add new comment