Schon seit Wochen will ich über das Schicksal Ai Weiweis schreiben – als Protest quasi gegen die Proteste in Europa usw., die, so meine ich, meistens zu lau ausfallen.
Stimmt nicht ganz. Vor diversen chinesischen Botschaften weltweit werden die Tage 1001 Stühle aufgestellt, wobei ein Stuhl leer bleibt – die natürlich von Ai. In München hängt ein großes Transparent vor der Kunstakademie: „Free Ai Weiwei“. Auch vor dem Tate in London flattert eins. Und so weiter.
Ich wollte über das Schicksal Ai Weiweis schreiben. Doch ich fand die Worte nicht. Ich fand sie nicht, weil ich mich weigere, Ai zum alleinigen lauen Posterboy eines Unrechtstaates zu instrumentalisieren, während zahllose unbekannte politische Gefangene in chinesischen Gefängnissen und Umerziehungslagern weiterhin namenlos schmoren.
Ich habe mir gestern einen Dialog zwischen dem chinesischen Staatsoberhaupt Hu Jintao und seinem Amtskollegen, dem Premierminister Wen Jiabao, fantasiert. Dieser Dialog sollte zum satirischen Herzen meines schwierigen Protests werden. Ich hatte vor, mit dem Gleichklang zwischen „Hu“ und dem englischen „who“, „Wen“ und dem englischen „when“ lustige Witze zu machen.
In einer deutschsprachigen Glosse wird das lustige Wortspiel leider zu obskur. So ist es, wenn das Herz eines Schriftstellers in zwei Sprachen schlägt.
Mein Dialog sollte im Büro von Hu stattfinden. Weil sich China noch immer kommunistisch nennt, heißt dieses Büro in meinem Dialog das „Politbüro“. Ein schlechter Witz ist besser als kein Witz. Oder? Hier ein paar Fragmente meines Dialogs. Hu spricht zuerst. Was er sagt, klingt Chinesisch – ist es auch:
Hu: Ai Weiwei Liu Xiaobo Gao Zhishang.
Wen: Wer? (Natürlich meine ich hier „who?“).
Hu: Wann (d.h., „when?“) wirst du endlich verstehen, dass du ein großes Problem hast?
Wen: Wer (who?) hat ein Problem.
Hu: Ich nicht. Ich lasse mich bald pensionieren. Du aber.
Wen: Ej weh weh.
Sie sehen: ein Dialog in deutscher Sprache und doch kein deutscher Dialog über einen chinesischen Künstler, der ohnehin nur stellvertretend für lauter politische Gefangener in China. Ej weh weh.
Bestenfalls wären meine Bemühungen schwach. Und zwar deshalb, weil China reich und mächtig ist. China darf Raubbau in Tibet oder unter Uiguren treiben, darf Taiwan zu einer Hochzeit mit dem Festland nötigen. Was sagt die UNO darüber? Nicht einmal die bissigen Tanten und Kerndlfresser vom Ostermarsch erheben die Stimme gegen China. Ihre Feinde bleiben weiterhin die easy targets: die USA, die NATO und Israel.
In meinem Dialog hat Hu folgende Idee, um die Aufmüpfigkeit der schwachen westlichen Protestler im Punkto Ai Weiwei im Keim zu ersticken:
Hu: Twitter abstellen, Internet schließen! Neue Umerziehungslager eröffnen. Todesstrafe! Todesstrafe! Senegal, Brasilien und Libyen aufkaufen! Öl billig an Europa verschleudern! Billige Spielzeuge, Handys, Tabletten. Lookalikes verkaufen! Disneyland in Schanghai bauen lassen, Bob Dylan (ohne Protestlieder) und Justin Bieber (mei ist der süß) auftreten lassen. Dann werden sie den Ei vergessen.
Wen: Wen vergessen?
Hu: Wen wird man ganz bestimmt vergessen, Hu aber nie.
Tja. Mein Dialog, führt letztlich ins Abseits – wie jeder Protest gegen die immense Paranoia Chinas.
Ich fürchte, dass der Dalai Lama mittlerweile zu alt ist, um der nächste Präsident Chinas zu werden. Ich tippe langfristig auf Liu Xiaobo. Warten Sie nur: Auch Riesen haben nur zwei Beine, über die sie – wie jeder Zweibeiner – stolpern können.
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