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Variationen auf dem Buchstaben „n“ und andere Bedrohungen

„Jetzt sind wir schon wieder mittemang im Herbst, bis ich es schaffe, Dir zu antworten.“

Das hat mir E. schon im vorigen Oktober geschrieben. Erst gestern habe ich endlich an sie zurrückgeschrieben. Immerhin sind wir noch nicht ganz mittemang im Frühling.

Hand aufs Herz: Ist Ihnen das Wort „mittemang“ geläufig? Mir war es völlig unbekannt. Ich witterte zunächst einen Tippfehler, genauer gesagt, eine Fingerverschiebung auf der Tastatur, wie wenn man „dp eor ford“ für „so wie dies“ schreibt. (Gilt nur für diejenigen die, wie ich, blind tippen).

Prompt langte ich nach dem vierten Band meines Großen Duden („Kam bis N“) und suchte gespannt nach „mittemang“. Ergebnislos, was mich irritierte. Also googelte ich nach dem Wort. Wieder ohne Erfolg. Eine Webseite gab folgende Botschaft: „Übersetzung für mittemang nicht gefunden. Neue Übersetzung für mittemang vorschlagen.“ Nun war ich noch irritierter.

Doch dann wurde ich auf der Webseite „Lexikon der bedrohten Wörter“ fündig. Dort verfolgte ich eine lebhafte Diskussion über die gesuchte Vokabel. Achtung: Der Begriff „bedroht“, wenn es um Wörter geht, führt schnell zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten. So bin ich, zum Beispiel, im „Lexikon“ auf eine Diskussion über „gelackmeiert“ gestoßen, das dort als ein dem Grabe nahes Wort aufgeführt wird. Auch „Philister“ und „Ober“ (wie in „Herr Ober!“) werden auf dieser Webseite aus dem aktiven Wortschatz verabschiedet.

Doch jetzt der Clou: „Mittemang“ wird, so erfuhr ich in der lebhaften dafür aber nichtsagenden Diskussion über diese Vokabel, meistens in der Form „mittenmang“ wiedergeben. In E.s Version fehlte also das „n“.

Nun googelte ich die „n“-Form, und welch Wunder. Vonwegen bedroht: „Mittenmänge“ so weit das Auge sehen konnte. Auch im Duden war „mittenmang“, also das „n“-Wort, kein Unbekannter, wenn auch hauptsächlich im Norden beheimatet. Bedroht. Ha. Dieses Wort besstimmt nicht. Vielleicht die Schreibvariante E.s ist bedroht. Wer hier allgemein von einer Bedrohung spricht, ist letztlich der Gelackmeierte.

E. ist offensichtlich mit einer Variante groß geworden, die – zumindest in der Schriftsprache – von der Form mit dem „n“ abgelöst wurde – was ihr „mittemang“ partout nicht fehlerhaft macht.

Heute, liebe Leser, keine hochgestochenen Gedanken über die Weltpolitik. Der Schuster (ich) kehrt zu seinem Leisten (dem Wort) zurück. Dennoch möchte ich an dieser Stelle konstatieren, wie sehr ein einziger fehlender – bzw. fehlplatzierter – Buchstabe zu den größten Missverständnissen führen kann.

Ich saß einmal mit B., einem alten Freund aus New York, in einem Restaurant in Paris . Der Ober stand neben uns und wartete ungeduldig auf unsere Entscheidung. Ich bestellte zuerst, dann nach langem Zögern B.  Er sagte: „Je veux lapine“. Der Ober wäre fast zu Boden gefallen. Er kugelte sich vor Lachen, konnte sich kaum noch einkriegen.  B. schaute mich verdutzt an: „Wenn man Englisch redet, sind sie gleich sauer, diese Franzosen. Wenn man versucht Französisch zu reden, lachen sie nur.“

Was B. nicht wusste: Er wollte „Kanninchen“, also „Lapin“, bestellen. Stattdessen hatte er nach einem Penis, „la pine“, verlangt .

Mir ist mal Ähnliches passiert. Es war 1972 auf der Isla Mujeres, einer Insel nahe der Yukatan-Küste; ich stand damals etwas wacklig auf den Beinen, weil ich mir einen „fiebre tifoidea“, geholt hatte. Das hat mir jedenfalls der Arzt eingebläut. Zu Deutsch: Paratyphus. Meine Freunde schliefen in Hängematten. Ich durfte, krankheitsbedingt, die Nacht auf einer Matratze verbringen. Ich lernte damals ein französisches Ehepaar kennen und wollte mit meinen Französischkenntnisse ein bisschen brillieren. „Je dort sur un matelot“ sagte ich. Das sollte bedeuten, dass ich auf einer Matratze schlafe. Doch Matratze heißt auf Französisch „matelas“ (sprich „ma-te-la“). Matelot (sprich „ma-te-lo“) ist der „Matrose“.

Ja die Kleinigkeiten, die den großen Unterschied ausmachen. Hat nicht die Alice Schwarzer mal ein Buch irgendwie so betitelt? Habe ich vielleicht schon wieder in knappen Worten die Geschichte der Welt erzählt? Bitte halten Sie mich nicht für einen Philister.

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