Vorstandsvorsitzender: Wurm!
Wurm: Jawohl, mein Führer!
Vorstandsvorsitzender: Lieber Wurm, wie oft muss ich Ihnen erklären, dass Sie zu mir nicht „Führer“ sagen dürfen. Es gibt Überführer, Anführer…
Wurm: …Verführer! Hihi.
Vorstandsvorsitzender: Ja, auch Verführer…
Wurm: Ja, und Fremdenführer, mein Führer…upps. Entschuldigung, o Herr.
Vorstandsvorsitzender: Genau genommen, bin ich auch Ihr Führer, mein lieber Wurm. Aber bitte, Sie lenken mich mit diesem Führergerede nur ab. Ich möchte die Verkaufsstatistiken sehen.
Wurm: Zu Befehl, mein…ich meine, o Herr. Hier die Mappe.
Vorstandsvorsitzender: (reißt sie Wurm aus der Hand und blättert sie schnell durch. Man vernimmt Papierrasseln und Grunzen) Das kann nicht wahr sein! Wir haben in diesem Monat kein einziges Exemplar mehr verkauft! Es gibt auch keine Abos mehr. Nichts. Mein Gott! Das kann nur heißen, dass auch meine Mutter ihre Abos gekündigt hat. Es ist schlimmer als ich gedacht habe. Wurm!
Wurm: Jawohl, mei…o Herr!
Vorstandsvorsitzender: Sofort, die letzten Mitarbeiter kündigen. Keine Ausnahmen – auch die Chefredakteure.
Wurm: Das haben wir schon letzten Monat getan, o Herr.
Vorstandsvorsitzender: Woher haben wir denn den Content für die Hefte?
Wurm: Sie haben offenbar vergessen. Sie sagten mir, ich solle die albanischen Seiten von Wikipedia durchforsten und mit Google-Translator ins Deutsche übersetzen lassen. Dreiundzwanzig Titel habe ich damit gefüllt. Die Autorennamen habe ich auch selbst erfunden. Was halten Sie von Sebastian Heilig? Klingt schön, nicht wahr?
Vorstandsvorsitzender: Ich bin nicht zum Humor aufgelegt. Allmählich ahne ich, dass wir ein sehr ernstes Problem haben. Und woher haben Sie die Illus genommen?
Wurm: Es sind alles Bilder von vor 1923. Man bezahlt dafür keinen Cent.
Vorstandsvorsitzender: Hut ab. Sie werden immer raffinierter. Aber glauben Sie ja nicht, dass ich deswegen Ihr Gehalt erhöhe.
Wurm: Ein Leserbrief ist auch eingetroffen. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern für welches Blatt.
Vorstandsvorsitzender: Egal. Lesen Sie vor.
Wurm: „Sehr geehrter Herr Blattmacher. Ich staunte, als Sie Inhalt mit Content ersetzten. Ich staunte, als die Namen im Impressum immer weniger wurden. Als die Autorennamen chinesisch lauteten, staunte ich auch nicht schlecht. Im Namen der Globalisierung gewöhnt man sich aber daran, auch wenn man statt das Haus manchmal der Haus liest. Doch dann sind Sie entschieden zu weit gegangen. Als geborener Kosovare erkenne ich die albanischen Beiträge von Wikipedia nämlich sehr gut wieder, zumal ich einige selbst geschrieben habe. Hiermit kündige ich mein Abonnement. Sie haben mich zum letzten Mal für dumm verkauft…
Vorstandsvorsitzender: Ich werde den Lümmel wegen Verleumdung verklagen! Schließlich bin ich gelernter Jurist…
Wurm: Philosophie, Medizin und Theologie haben Sie nicht studiert?
Vorstandsvorsitzender: Wie kommen Sie darauf?
Wurm: Nur eine Idee.
Vorstandsvorsitzender: Politik. In der Politik muss man tätig sein. Da gibt es noch viel zu tun. Das Blattmachen hat mich ohnehin immer nur gelangweilt. Ich habe nie verstanden, wie man das lahme Zeug Monat für Monat lesen konnte. Letztlich habe ich dem Publikum einen schönen Dienst erwiesen. Den Kopf wieder frei gemacht. Meinen Sie nicht auch ? Wenden wir uns nun anderen Interessen zu, mein lieber Wurm. Und vergessen Sie nie: Schlussmachen ist auch eine Kunst.
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