Meine Theorie: Fünfundneunzig Prozent aller Probleme werden durch Langeweile verursacht. Die restlichen fünf Prozent durch Dummheit.
Ich komme auf diese Idee, nachdem ich seit Tagen eine erstaunliche Geschichte verfolge, die aber leider nur sehr sporadisch in den deutschen Medien Aufnahme gefunden hat. Ich glaube nicht, dass man hier schweigen soll.
In Malaysia ist momentan die Hölle los. Warum? Die Geschichte begann, als vor drei Jahren das Oberste Gericht dieses Landes Christen den Gebrauch des Namen „Allah“, um Gott in christlichen Texten zu bezeichnen, untersagt hat. Ende 2009 wurde dieses Gerichtsurteil wieder aufgehoben. Gleich ging es los.
Wieso diese Angelegenheit überhaupt vor Gericht landete, vermag ich nicht zu sagen. Nur mit folgenden Fakten kann ich dienen:
Fakt eins: In Malaysien ist die Bevölkerung zu 60% muslimisch. Die übrigen Bewohner dieser Nation sind Christen, Hindus und Buddhisten.
Fakt zwei: Die Christen – 10% der Gesamtbevölkerung – sind mehrheitlich chinesischen Ursprungs, die Muslime hingegen entstammen der malaysischen Urbevölkerung. Laut BBC ist die Regierung vom Wohlwollen des eingeborenen Wahlvolks abhängig.
Fakt drei: Im März wird es Wahlen geben und – so die International Herald Tribune – Premierminister Najib Razak muss unbedingt die ethnischen Malaysier für sich gewinnen.
Fakt vier: Es gibt in der malayischen Sprache keinen Begriff für „Gott“. Vielleicht liegt das daran, dass die Religion der Malaysier vor langer Zeit polytheistisch war. Leider sind meine Kenntnisse hier zu dürftig, um Genaueres sagen zu können. Dennoch: Nachdem Malaysia vor etlichen Jahrhunderten kolonisiert wurde, diente „Allah“ gewöhnlich als Bezeichnung für Gott. Auch ein zweites Wort für „Gott“ ist in der malaysischen Sprache im Umlauf, „Tuhan“. Eigentlich bedeutet es „Herr“. Zufällig besitze ich ein altes Buch in dieser Sprache mit englischer Übersetzung – ein Werk der nichtmuslimischen Mystik. Darin habe ich sowohl „Tuhan“ wie auch „Allah“ als Übersetzung für „Gott“.gefunden. Ach ja: In malaysischen Bibeln wird Jesus traditionell als „Sohn von Allah“ bezeichnet.
Ebenfalls besitze ich eine Bibel, Altes und Neues Testament, in arabischer Sprache. Meine arabischen Kenntnisse reichen aus, dass ich den ersten Satz der Genesis auf Arabisch lesen und übersetzen kann. Da steht: „Am Anfang schuf Allahu Himmel und Erde.“
Aber zurück zu Malaysia. In den letzten Tagen steckte eine aufgebrachte Meute drei Kirchen und eine Klosterschule in Brand (nur eine Kirche brannte aber ganz nieder). Zu bemerken: Der PM hat die gebrandschatzte Kirche besucht, sein Bedauern zum Ausdruck gebracht und 100.000 Euro für einen Neubau versprochen – allerdings an einem anderen Ort. Protestler skandierten derweil Parolen wie: „Allah ist nur für uns“ („Allah is only for us“) und „Das Ketzertum entsteht, wenn Wörter falsch verwendet werden“ („Heresy arises when words are used wrongly“). Gegner des Gebrauchs des Wortes „Allah“ durch Christen behaupten, die Christen würden dadurch die muslimische Jugend verwirren. Hmmm.
Die Auseinandersetzung wurde erst recht hitzig, als die katholische Wochenzeitung „Herald“, den umstrittenen Namen druckte. Inzwischen wird der Kampf auch im Internet, genauer gesagt in „Facebook“, weitergeführt. Schauen Sie unter “Menentang Penggunaan Allah Oleh Golongan Bukan Islam” (Gegen den Gebrauch des Wortes “Allah” von Nichtmuslimen).
Nein, ich habe all dies nicht erfunden. Wäre aber schön, wenn ich hier nur Satire schreiben würde, gell?
Zufällig kann ich einiges über die Etymologie der Vokabel „Allah“ erzählen. Der Wortstamm ist nämlich sehr verbreitet in den semitischen Sprachen und ist mit dem phönizischen „El“ eng verwandt. Im Hebräischen findet man „eloah“ als Pendant, im Aramäischen „elah“ und im Babylonischen „ihahi“ und „ilu“. Das Wort hatte wohl ursprünglich den Sinn „Kraft“.
Doch wie schon gesagt: Probleme entstehen aus zwei Gründen: Langeweile und Dummheit. Ich weiß im Moment nicht, welcher der beiden die Ursache für dieses Auseinander um Gottes Namen ist.
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