(Wir befinden uns im Büroraum einer sehr vornehmen Villa im südlichen Florida, USA.)
Spammerkönig (er sitzt hinter einem Schreibtisch so groß wie der Ammersee): Wie heißt er wieder, Wurm?
Wurm: Er nennt sich „Sprachbloggeur“ und trägt einen schwarzen Bodysuit und eine Maske.
Spammerkönig: Und was will der komische Kauz von mir?
Wurm: Er will Sie interviewen.
Spammerkönig: Interviewen? Das ich nicht lache. Wie hat er mich ausfindig machen können? Man liest über mich nicht in den Klatschkolumnen.
Wurm: Sein Freund Edward kenne alle Adressen von Internetsündern, hat er gemeint. Dazu sollen auch Sie zählen.
Spammerkönig: Erstaunlich, was sich die Leute einbilden. Nun bin ich richtig neugierig. Er soll herein. (dies geschieht) Nehmen Sie bitte Platz, Herr Sprachbloggeur oder wie immer Sie wirklich heißen, und bitte reden Sie laut. Wie Sie sehen, ist mein Schreibtisch so groß wie der Okeefenokee-Sumpf. Außerdem bin ich schwerhörig. Zuhören war ohnehin nie meine Stärke (lacht). Aber sagen Sie. Was kann ich für Sie tun. Entschuldigung. Wurm, bring uns eine Kanne Kamillentee. Ja, Herr Sprachbloggeur, ich hab’s mit dem Magen. Sie werden aber sehen, der Kamillentee schmeckt köstlich – vor allem ohne Zucker. Aber erzählen Sie mir bitte Ihr Anliegen.
Sprachbloggeur: Herr Spammerkönig…Herr Spammerkönig! Hören Sie? (der Spammerkönig nickt). Als Betreiber einer Sprachglosse im Internet möchte ich von Ihnen etwas über den Sinn von Spams erfahren.
Spammerkönig: Über den Sinn vom Spam? Eine interessante Frage, hat noch nie jemand gestellt. Sind Sie Kunde von mir?
Sprachbloggeur: Wenn mich die täglichen Spamangriffe der letzten Zeit zum Kunden machen, dann wohl ja.
Spammerkönig: Ach so! Jetzt verstehe ich. Ihre Internetseite wird in letzter Zeit verspammt. Kasinowerbung?
Sprachbloggeur: Nein Potenzmittel.
Spammerkönig: Ach ja. Die neue Kampagne. Stellen Sie sich vor: Billionenfach wird diese Botschaft in die Welt gesetzt. Ist das nicht schön? Ich muss Sie aber aufklären, Herr Sprachbloggeur. Sie sind kein Kunde von mir. Wären Sie Kunde, dann würden auch Sie von der neuen Kampagne profitieren, und Sie würden mir erst recht keine dummen Fragen stellen. Nein, Herr Sprachbloggeur, Sie sind lediglich Endverbraucher. Mich brauchen Sie also nichts zu fragen. Es hat mich sowieso gewundert, dass Sie zu mir gekommen sind. Besuchen Sie lieber den zuständigen Kunden, der Ihre Seite verspammt. Sie finden ihn in China oder Afrika. Vergessen Sie nicht, Ihren Dolmetscher mitzubringen (lacht).
Sprachbloggeur: Nun haben Sie mich ganz verwirrt. Trotzdem hoffe ich, Sie werden mir vielleicht den tieferen Sinn des Spams verraten. Täglich erhalte ich „Kommentare“ auf meiner Seite, die meine Beiträge keineswegs kommentieren. Es handelt sich ausschließlich um Werbung für verfälschte Potenzmittel. Wobei ich ein besonders ausgewähltes Publikum habe. Meine Leser kämen nie auf die Idee, auf Ihren Link zu klicken.
Spammerkönig: Ach jetzt verstehe ich Sie. Entschuldigen Sie mich bitte, wenn ich Ihre Naivität ausgiebig belache. Sie haben es offenbar noch immer nicht kapiert. Lieber Herr Sprachbloggeur, es geht mir nicht darum, ob der Leser Ihrer lächerlichen Seite auf den Link klickt. Sie scheinen keine Maske zu tragen, Herr Superheld, sondern Scheuklappen. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass das, was ich anbiete, in Wahrheit eine Weltsprache ist? Jawohl! Eine Weltsprache! Ich beteilige mich an einem bahnbrechenden Unternehmen. Noch nie hat es jemand soweit gebracht wie ich. Das Tragische: Statt dafür Lob und Bewunderung zu ernten, werde ich von Ignoranten wie Ihnen nur kritisiert. Sie halten sich für einen Superhelden, aber in Wirklichkeit sind Sie von gestern, nein, von vorgestern! Schließlich haben wir den 21. Jahrhundert, Herr Superheld. Das muss Ihnen mittlerweile als Webseitenbetreiber aufgefallen sein. Oder? Jawohl, Information wird globalisiert, und ich bin derjenige, der die entsprechenden Kanäle ausbuddelt, damit man überhaupt in der Lage sein wird, sich global zu verständigen. Verstehen Sie immer noch nicht? Lieber Herr Sprachbloggeur, ich kann nur sagen: Wenn Sie die Hitze nicht ertragen, dann bitte raus aus der Küche! Ach! Schon ist der Wurm mit dem Kamillentee wieder da. Glauben Sie mir, Herr Sprachbloggeur, er schmeckt viel besser ohne Zucker.
(Der Sprachbloggeur verstummt und sucht momentan vergebens nach der passenden Antwort. Die findet er aber bestimmt noch…)
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