Am besten fangen wir einfach an.
Das Wort „Minarett“ fand seinen Weg in die europäischen Sprachen über das türkische „minare“, das wiederum aus dem arabischen „manare“ entlehnt wurde. Auf Arabisch bedeutet diese Vokabel „Leuchtturm“ und wird vom arabischen Wortstamm „nur“, „Licht“, abgeleitet.
Eine schöne Vorstellung, nicht wahr? Ein Turm, der (er)leuchtet. Was wünscht man sich sonst von einem Glauben?
So weit so gut. Nun wird es aber ein bisschen komplizierter. In der heutigen arabischen Sprache wird dieser Turm als „ma’thana“ (das „th“ spricht man wie im englischen „the“ aus) bezeichnet. Es bedeutet mehr oder weniger „Ort des Verkündens“. Denn oben auf dem Turm steht der „mu’aththin“, der Mann, der die Gebetszeiten verkündet.
Bisher bewegen wir uns noch immer im grünen Bereich eines heiklen Themas. Ab jetzt wird es brenzlig.
Damit will ich sagen. Dieses Wort hat – zumindest seit vorgestern, als die Schweizer mehrheitlich einem Minarettverbot zugestimmt haben – ein Eigenleben angenommen.
Für Muslime ist das Minarett ein stolzes Symbol der öffentlichen Selbstdarstellung im Gastland, bzw., in der neuen Heimat. Für viele (ja, viele) Nichtmuslime hingegen ist es zum Symbol einer schleichenden und wohl unerwünschten Einflussnahme von Muslimen in Europa geworden.
Nun eine provokative Frage: Haben Muslime das Recht sich in Europa zu etablieren und die Symbole ihres Glaubens öffentlich zur Schau zu stellen? Meine Antwort: Selbstverständlich haben sie dieses Recht.
Und noch eine provokative Frage: Haben nichtmuslimische Europäer das Recht auf die Neuankömmlinge argwöhnisch zu schielen? Auch dieses Recht halte ich für gerechtfertigt.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine nicht, dass man auf die Zugereisten schielen darf, nur weil sie Muslime sind. Man schielt, weil in den letzten Jahren eine fantatische Minderheit im Namen des Islams hinausposaunt, dass ihnen die europäische Gesellschaftsform nicht akzeptabel ist. Und es bleibt nicht nur bei der verbalen Kritik. Die Anschläge in London und Madrid, der vereitelte Anschlag in Deutschland, der Mordanschlag gegen Theo van Gogh in Amsterdam usw. sprechen eine sehr klare Sprache. Oder wenn protestierende Muslime in London, die Abschaffung des Rechtstaates zugunsten der Scharia ausrufen – tja, Beispiele, die beunruhigen – nicht weniger als die Nachrichten von geköpften Geiseln, Ehrenmorden usw.
Zugegeben: Es handelt sich in obigen Beispielen, wie schon gesagt, um die Wirkung einer virulenten Minderheit. Meine Frage: Warum schweigt denn die Mehrheit der neuen Europäer? Hat auch sie Angst vor den Fanatikern wie afganische Dorfbewohner vor dem Taliban?
Aber zurück zur nichtmuslimischen Meinung: Die Ablehnung von Minaretten darf man keinesfalls als Erfolgsmeldung für gewiefte Rechtsradikale missverstehen. Nein, sie war lediglich ein wichtiges Stimmungsbarometer. Und nach der Abstimmung in der Schweiz hat es das „Spiegel-Online“ mit einer eigenen Umfrage probiert. Man fragte, ob ein Minarettverbot auch in Deutschland angebracht wäre. Nach einem Tag hatten über 26.000 Leser ihre anonyme Stimme abgegeben. Das Resultat: Über 77% hatten ein solches Verbot bejaht. Wie reagierte das „Spiegel-Online“? Es ließ die Umfrage vom Onlineangebot leise verschwinden. Schade. Dies wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, die Bedeutung dieser ablehnenden Stimmung zu kommentieren.
Statt dessen haben sowohl die Politik (in ganz Europa) wie auch die meisten Medien mit scheinheiligem Entsetzen über die Ergebnisse in der Schweiz reagiert. Hier hat die politische Korrektheit eine Chance verpasst, Ängste ernst zu nehmen, meine ich. Oder hatten Politiker und Meinungsmacher vielleicht selbst Angst vor Repressalien, sollten sie dieses große Problem beleuchten? Kein Wunder, dass die rechten Parteien mit dem Antiislamismus punkten.
Wenn die nichtmuslimischen Instanzen aus Feigheit oder Verlegenheit schweigen, dann, sage ich, ist die muslimische Gemeinde selbst am Zuge. Ja, sie muss jetzt – fast im Alleingang – die Öffentlichkeitsarbeit auf sich nehmen, um das gemäßigte Image des Islams in Europa – und die meisten Muslime sind wirklich keine Staatsfeinde – unmissverständlich zu verkünden. Es hilft übrigens nicht, wenn der türkische Ministerpräsident Erdogan Minarette mit „Bajonetten“ vergleicht.
Nebenbei: Die Kritik aus manchen muslimischen Ländern zur Minarettfrage in Europa mutet wie Hohn an. Wie können Saudis, die gar keine Kirchen in ihrem Land zulassen, die Ablehnung von Minaretten seitens Europäer kritisieren? In Qatar durfte vor zwei Jahren – zum ersten Mal seit Jahrhunderten – eine Kirche errichtet werden. Es gab allerdings eine Auflage: keine äußerlichen religiösen Zeichen seien erlaubt. Genauer gesagt: Es sollte eine Kirche ohne Turm sein. Auch in der Türkei wird der Bau von neuen Kirchen untersagt.
Dass das Minarett zu einem derart aussagekräftigen Symbol geworden ist, halte ich für eine günstige Gelegenheit. Endlich weiß jeder, dass es ein Problem gibt. „Minarett“ ist bloß die erste Vokabel, die aus der beidseitigen Sprachlosigkeit führen könnte. Der nächste Schritt ist auch klar: Man wird lernen müssen, diesem Wort Normalität zu schenken.
Das reicht für heute.
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