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Ouvertüre zu einer Horrorgeschichte

Am Anfang das Fröschesterben.

Mit Sicherheit haben Sie davon gehört. Denn ich erzähle hier nichts Neues. Schon seit zwanzig Jahren schwinden die Frösche dahin oder werden dreiäugig, fünfbeinig, zweiköpfig usw. geboren.

Lange rätselten die Wissenschaftler über die Ursache. Man munkelte: Die Luftverschmutzung, diverse Umweltsünden oder auch Radioaktivität seien daran schuld. Beweisen konnte man aber nichts.

Nun weiß man: Alle bisherige Theorien sind an den Haaren herbeigezogen. Es ist ein Pilz, genauer gesagt, ein Batrachochytrium Dendrobatidis, der die Frösche dahinrafft. Langsam sickert dieser giftige Pilz durch die glatte Froschhaut, um schließlich den Blutkreislauf der Lurche zu befallen und den Mineralienhaushalt durcheinanderzubringen, bis das amphibische Herz still steht.

Wer hätte das gedacht? Frösche und Batrachochytrium Dendrobatidis sind seit Jahrmillionen bestens miteinander ausgekommen, gute Nachbarn gewesen. Plötzlich verwandelt sich der Freund in einen Killer. Es ist, als würde sich das liebe Lumpi eines Nachts in aller Stille Herrchen oder Frauchen an die Halsschlagader heranmachen.

Nichts kann man dagegen machen. So jedenfalls nach dem heutigen Stand der Dinge. Das habe ich auch gelesen. Geht es weiter so, sind alle Frösche eines Tages weg. Nach den Fröschen: wir.

Prompt denke ich an Carl Amerys „Der Untergang der Stadt Passau“. Amery erzählt von den Rosenheimern und den Passauern, Überlebenden einer namenlosen Seuche, die innerhalb kurzer Zeit etwa 95% der Weltbevölkerung dahingerafft hat.

Die Passauer halten sich für fortschrittlich. Sie tun das, weil sie noch Glühbirnen besitzen. Diese erzeugen Licht, wenn man sie in eine Fassung schraubt. Was die Passauer nicht so ganz verstehen: Nur dank einem alten Wasserkraftwerk stehen die zählbaren Birnen unter Strom. Was sie außerdem nicht bedenken: Sobald der Vorrat an Birnen verbraucht ist, ist es mit dem Kunstlicht endgültig vorbei. Die Rosenheimer– „Rosmer“ genannt – sind hingegen Hinterwäldler, einfache Ackerbauer. Aber Vorsicht: Auch die Ungarn sind auf dem Vormarsch: galoppierende Reiter, die eines Tages Krieg mit Passau führen werden. Ich habe nicht vor, hier die ganze Geschichte zu erzählen.

Meine Horrorgeschichte habe ich noch nicht erzählt, und ich will sie heute nur andeuten. Sie ist freilich sprachlicher Natur – zumindest am Anfang. Genauer gesagt: Sie zeigt, wie die Sprache selbst zu einer Seuche werden kann – einer Seuche, die schlimmer grassiert als jede Schweinegrippe.

Ich habe die Anzeichen dieser Seuche neulich beobachtet, während ich – nur Ihnen zuliebe – in den USA unterwegs war. Dort stellte ich fest, dass die Konsumkultur schwerkrank geworden ist. Da die Konsumkultur als Basis des amerikanischen Wohlstands ist, ist dieser Zustand etwas sehr Schlimmes. Nur: Die meisten Menschen wissen von ihrem Unglück noch nicht. Die meisten Menschen in den USA wissen nicht, dass sie kranke Frösche sind, die kurz vor dem Herzstillstand stehen.

Denn momentan scheint alles noch glatt zu laufen. Die großen Verkaufsketten, Fastfoodketten, Restaurantenketten usw. sind noch nicht in den Konkurs geraten. Die Werbung belämmert nach wie vor im Fernsehen.

Was haben meine Feststellungen mit der Sprache zu tun? Es war stets die Sprache, ich meine eigentlich die Infantilisierung der Sprache, die die Menschen zu Konsumzombies erzogen hat.

Diese Infantilisierung der Sprache war schon immer die wahre Triebfeder der amerikanischen Spaßgesellschaft. Durch billigen Humor, Reality TV, Gruselgeschichten mit Vampiren oder sonstigen ekzentrischen Killern, durch Natursendungen, in denen Tiere andere Tiere live vor der Kamera grausam fressen, durch extreme Formen des Kickboxing usw. hält man den Konsumenten bei Laune, damit er die Prokukte der Sponsoren – iPhones. Playstations, Klingeltöne, Viagra und Waschpulver – kauft.

Doch nun bricht alles zusammen. Nur, man merkt es kaum. Noch. Schließlich haben wir aber Finanzkrise. Und jetzt stellt es sich heraus, dass man bisher erst 25% der „toxischen Papiere“ aufgedeckt hat. Die Spaßgesellschaft fällt lautlos auseinander.

Keinen Grund zur Schadenfreude, liebe Leser. Nein, es gibt keinen Grund zu Überlegenheitsbekundungen. Denn jetzt erzähle ich die wahre Horrorschichte – zumindest den Anfang. Seuchen kennen keine Staatengrenzen. Keine iPhone-Applikationen, keine Playstation, keine Klingeltöne retten auch einen befallenen europäischen Frosch vor dem drohenden Erstickungstod…

Ja Gruselgedanken, weil ich noch immer an meinem Jetlag leide. Nächstes Mal etwas Heiteres. Derweil Happy Hallowe’en!

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