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Warum ich Optimist bin

Heute wollte ich keinen Beitrag schreiben. Das habe ich jedenfalls voriges Mal behauptet. Man muss aber wissen: Schriftsteller sind äußerst unzuverlässig, wenn es um ihr Vorhaben geht. Nur der Tod und vielleicht die Demenz bringen uns zum Schweigen.

Morgen fliege ich in die USA, um meiner Mutter beim Umsiedeln zu helfen. Sie zieht von Phoenix, Arizona, nach Dallas, Texas. Das ist eine Entfernung wie ungefähr von München nach Kairo. Nur man spricht stets die gleiche Sprache: Spanisch. Nein, nur ein dummer Witz. Man spricht Amerikanisch. Mein Bruder ist Eigentümer eines „Pickups“. Sie wissen schon: eines Kleinlasters mit Kabine und bringt einen Anhänger in Schlepptau mit, genauer gesagt, einen Pferdetransporter – etwa fünf Meter lang und mit vielen Luftschlitzen, damit die Pferde und das Hab und Gut unserer Mutter beluftet werden.

Das wird folgendes Bild ergeben: Zwei grauhaarige Männer (vielleicht ein kleines bisschen jenseits ihrer besten Jahre) fahren im Pickup-Truck mit dem alten Mütterlein querdurch den Südwesten Amerikas, wo einst die Apachen und Comanchen mit den Wölfen heulten.

Soweit so gut. Nur: Am Wochenende habe ich mir einen „Tennisellenbogen“ eingebrockt. Das, obwohl ich kein Tennis spiele. Möchten Sie auch einen? Hier mein Rezept: Erstens: Ellenbogen kräftig anstoßen, genauer gesagt, ihm einen Schlag auf den „Musikantenknochen“ verpassen. Zweitens: Versuchen Sie den Plastikkübel aus dem teueren dafür schlecht gemachten silberglänzenden Abfalleimer zu entfernen. Der klemmt nämlich sehr. Bald haben auch sie einen „Tennisellenbogen“ – ohne Sportler sein zu müssen.

Und dann stellte ich heute, d.h., am Tag vor der Reise fest, dass wir in diesem Monat das Girokonto fast schon leer gefegt haben. Wie das passierte, verstehe ich noch immer nicht ganz. Ach ja. Finanzkrise! Noch dazu kassiert die Bank einen neuen Zins. Wofür weiß ich nicht ganz genau. Man liest nur, dass die Antwort in Paragraph soundso der neuen Geschäftsordnung nachzulesen sei.

Ich bin wirklich reif für die Insel. Stattdessen werde ich trotz Tennisellenbogen die nächsten Tage schuften müssen und das nach einem langen, unbequemen Flug mit Umsteigen über mich ergehen lassen.

Dennoch bleibe ich Optimist.

Nein, ich bin kein Volltrottel vom Schlag eines Candides, Voltaires glückseligen Idioten. Ihm ging alles schief, was hätte schief gehen können und dennoch war er zufrieden.

Ich bin Realist. Außerdem weiß ich, dass sich alles schlagartig wieder ändern kann. Wenn ich fähig bin, meinen Ellenbogen blitzschnell kaputt zu kriegen – Tage, bevor ich bei einem Umzug helfen soll, warum soll ich auch nicht glauben, dass sich alles genauso schnell zum Guten wenden könnte?

Ja, warum nicht?

Und das tut es oft. Wer war es, der einen Ring hatte, worauf „Auch dies geht vorüber“ stand? Habe ich das nicht vor Jahren bei Herodot aufgegabelt?

Weiß ich nicht mehr. Es ist aber so. Sowohl die guten wie die schlechten Zeiten vergehen. Das weiß ich ganz genau, und deshalb bin ich Optimist.

Arme Bankdirektoren, deren Leben nur darin besteht, sich Tricks auszudenken, wie sie mir ein paar Euros aus der Tasche zaubern können, um sie in die eigenen Taschen umzustecken.

Nein, so ein Leben ist nichts für mich. Ich feiere lieber mit Bruder und Mütterlein den eigenen „Road-movie“. Wir sausen in die Geister toter Indianer und sonstiger ehemaliger Bewohner dieser Wildnis hinein. Vielleicht knipse ich ein paar Fotos der Unsichtbaren.

Ich komme jedenfalls in alter Frische zurück. Und dann geht es wieder los. Und ich weiß: Ich werde mich vor guten Nachrichten kaum mehr retten können.

Ja, so ist es im Leben. Und das betrifft nicht nur mich. Auch Sie werden angesprochen, beste Leser! Ja, auch Sie!

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