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Es spricht die Galle

Die Leber hat es gut – zumindest sprachlich. Wenn sich einer ärgert, fragen seine Mitmenschen, ob ihm eine Laus über die Leber gelaufen ist. Man stellt sich vor, wie so ein kleines Viech über die braunroten Lappen krabbelt und den Betroffenen dabei so quält, dass der Gepeinigte besonders ungehalten wirkt. Man möchte glauben, dass es Leberläuse wirklich gibt.

 Die Galle hat es weniger gut. Nur laue Redewendungen herrschen im Bezug auf dieses Organ vor. Etwa: „Ihm kommt die Galle hoch“, oder „die Galle läuft ihm über.“ Man sagt „Galle“ und meint „Zorn“, „Ärger“.

 Nur über Gallensteine versteht die deutsche Sprache ein bisschen Spaß. „Seine Gallensteine klappern“, sagt man über einen besonders Grießgrämigen. Haha.

 Immerhin hat Julius Cäsar über die Galle gesagt, sie habe drei Teile. Nein, nur ein schlechter Witz. Das war nicht die Galle, das war Gallien, die Heimat der Gallier. Jeder Schriftsteller macht gerne schlechte Witze. Es ist eine Art Mutprobe.

 Im Deutschen wird „Galle“ als eine negative Eigenschaft ausgelegt. Das englische „gall“ (sprich „gol“) – mit „Galle“ etymologisch eng verwandt – wird indes auch positiv bewertet. „What gall!“, sagt man, wenn einer sich etwas besonders Dreistes leistet. Der Hauch Bewunderung ist nicht zu überhören.

 Das Englische verfügt über zwei Wörter für „Galle“. Neben dem germanischen „gall“, steht das französische „bile“ (sprich „beil“) zur Wahl. Letzteres verwendet man, um auf den bitteren Geschmack des Gallensafts hinzuweisen. Oder man benutzt es im übertragenen Sinn. Beschreibt man eine Person, als „bilious“, dann will man damit sagen, dass sie „verbittert“, „verärgert“ ist, dass ihr quasi eine Laus über die Leber gelaufen ist. Kein bisschen Bewunderung ist hier herauszuhören. „Voll Galle“ ist der „bilious“ Mensch.

 Ich komme auf dieses bittere Thema nicht von ungefähr zu sprechen. Fakt ist: Meine Gallenblase wird seit langem von vielen Läusen heimgesucht. Genauer gesagt, sie ist, so behaupten die Ärzte, mit „Gries“ oder „Sand“ gefüllt – das sind Ministeine. „Sludge“, englisch für dickflüssigen Schlamm, heißt es bei den Medizinern.

 Ich erzähle Ihnen davon, weil ich, wie viele Schriftsteller, ein Selbstdarsteller bin. Wir treten in die Öffentlichkeit, um unsere schmutzige Wäsche, Ideen und sonstige vergrieste Vorstellungen berufsmäßig zur Schau zu stellen.

 Doch bevor ich zu sehr zu einem hartgesottenen Gallenpatron werde, gehe ich lieber in „Gallensteins Lager“, um mich von meinem verärgerten Organ zu trennen. Ich habe lange mit der Entscheidung gekämpft. Erwarten Sie am Freitag also keine Glosse vom genesenden Schriftsteller.

 Ich bin sehr erfahren im Reich der Tapferkeit. Das heißt: Ich schiebe die Sachen vor mir her, so lange das geht. Das habe ich auch mit meinem letzten Weisheitszahn getan. Auch er ist nun weg.

 Nun stehe ich völlig ohne Weisheit da. Vielleicht wird mich auch die Zankfertigkeit bald verlassen. Dann werde ich zu jenem Menschenschlag zählen, von dem man sagt, „Er hat keine Galle im Leib“.

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