Samuel Lieberman, mein einstiger Lateinprofessor am Queens College in New York, pflegte zu sagen: „Schimpfwörter sind der einzige Zauber, der uns in der Sprache noch bleibt. Man soll sie wohl überlegt anwenden.“ Längst weiß ich, wie Recht er hatte. Hier ein Beispiel seiner Weisheit:
Gestern bekam ich ein Schreiben von T-Com. Es sollte bestätigen, dass ich mein „Einverständnis zur kostenlosen Beratung und Information“ erteilt habe. Mit anderen Worten: T-Com wollte mich fortan mit Werbepost eindecken. Selbstverständlich hatte ich dieses Einverständnis nie erteilt.
Ich entschloss mich zur Gegenwehr und wählte die „Freecall-Nummer“ um T-Com mein Desinteresse kundzutun. Sogleich geriet ich aber in die Menü-Falle. Sie wissen schon: „Vielen Dank für Ihr Interesse…bitte wählen Sie einen der folgenden Menüpunkte...."
Dieser „Freecall“ verlangte von mir aber keine Tastendruckerei. T-Com hatte sich was Neues ausgedacht: eine Spracherkennungsanlage. Nach einer etwas in die Länge gezogenen Einleitung durfte ich meine Auswahl aussprechen: „Be-ra-tung“. Nun bat die Stimme um meine Telefonnummer, die ich langsam und deutlich artikulierte. Danach kam wieder ein Kommando. Mittlerweile waren fünf Minuten verstrichen. Doch endlich hieß es: „Sie werden gleich verbunden“. Es folgten zunächst 30 Sekunden Werbung, dann einige elektronische Geräusche. Schlussendlich vernahm ich wieder eine elektronische Stimme: „Alle unsere Mitarbeiter sind momentan mit anderen Kunden beschäftigt. Besuchen Sie uns im Internet….“ Dann wurde ich unwirsch aus der Leitung geschmissen.
Ich bin eigentlich gar nicht masochistisch veranlagt, dennoch rief ich ein zweites Mal zurück. Wieder passierte das gleiche. Zehn Minuten hatte ich inzwischen mit der automatischen Spracherkennungsanlage vergeudet. Ich fragte mich, ob ich wirklich meine kostbare Zeit auf dieser Weise verschwenden sollte. Dennoch drückte ich zum dritten Mal auf Wiederwahl. Und jetzt komme ich zum Wortzauber zurück. Die elektronische Stimme verlangte von mir schon wieder meine Menü-Auswahl. Doch diesmal brüllte ich in den Telefonhörer: „Scheißroboter!“.
„Verzeihung, ich habe Sie nicht verstanden“, war die Antwort der vorprogrammierten elektronischen Stimme.
„Scheißroboter!“ brüllte ich nun zum zweiten Mal.
Wieder ertönte es: „Verzeihung, ich habe Sie nicht verstanden.“
Ich wiederum: „Scheißroboter!“.
Und nun die Pointe: „Verzeihung, ich habe Sie nicht verstanden. Ich werde Sie gleich mit einem unserer Mitarbeiter verbinden“. Ja, der Roboter war ganz überfordert. Und ich, ich erreichte einen Menschen…endlich!
Ja, liebe Leser, liebe Leserinnen, das Schimpfen bleibt nach wie vor Wortzauber. Probieren Sie es selbst, wenn Sie den Roboter erreichen.
Mein persönlicher Rat: Wer mit Robotern gänzlich unzufrieden ist, sollte sich direkt an den Vorstandsvorsitzenden der betreffenden Firma wenden, um seinem Unmut Luft zu machen. Vorstandsvorsitzende haben oft zu wenig Ahnung, was den Kunden wirklich bewegt. Leider.
Übrigens: In den USA gibt es bereits die Website www.gethuman.com. Dort erhalten Sie Tipps, wie man die Anlagen von 500 Firmen und Behörden austricksen kann, um schnell einen Mitmenschen zu angeln.
Ich jedenfalls verneige mich vor Professor Lieberman.
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