Dass mir meine Deutschkenntnisse nicht in die Wiege gelegt worden sind, erweist sich manchmal als Vorteil. Ich kann mich kindisch freuen über Elemente der Fremdsprache, die für den Muttersprachler längst zum Alltag geworden sind. Zum Beispiel das „Un-“ in Wendungen wie „Unding“, „Unmensch“ oder „Unwetter“.
Dieses „Un“ negiert nicht – das heißt: es will gar nicht die Existenz absprechen – wie das „Un-“ in Vokabeln wie „unschön“, „unwichtig“ oder „ungut“. Ein „Unding“ bleibt stets ein Ding. Beim „Unwetter“ handelt es sich nach wie vor um Wetter und „Unmenschen“ sind, wie wir wissen, auch Menschen. Besagtes „Un“ bedeutet lediglich „schlecht“ oder „böse“. Das „Unwesen“, das einer treibt, ist durchaus wesentlich, wenn auch scheußlich.
Im Englischen fehlt diese Konstruktion völlig. „Nothing“ ist wirklich das Gegenteil von „thing“. „No weather“ gibt es nicht - außer vielleicht auf dem Mond.
Dafür kennen wir eigene knappe verneinende Formulierungen, die unsere Sprache ebenfalls negativ bereichern. „No-brainer“ ist eine Redewendung, die in letzter Zeit häufig in den Zeitungen erschienen ist. Sie bedeutet wörtlich „des Hirns nicht bedürftig“, und wird im Sinne von „offensichtlich“ angewendet. Neulich fragte ein Reporter den amerikanischen Vize-Präsidenten Dick Cheney: „Would you agree a dunk in water is a no-brainer if it can save lives?“ Der „dunk in water” (zu Deutsch: „Eintauchen ins Wasser“) bezog sich auf die neue Freiheit des Geheimdienstes – innerhalb Grenzen – bei der Befragung vermeintlicher Terroristen Folter anzuwenden.
Cheneys Antwort: „Well, it’s a no-brainer for me.“
Hat Cheney damit eine Foltermethode befürwortet? Darüber zerbrechen sich die amerikanischen Journalisten momentan den Kopf. Immerhin: Er hätte sich auch anders ausdrücken können. Etwa: „A dunk in the water is a no-no“ – also, etwas, was man keinesfalls tut. Oder er hätte sagen können, dass dieses Eintauchen ein „no-go“ sei, es gehe also nicht – um nur einige negierende Idiome zu erwähnen.
Nebenbei: „No-go“ hat sich scheinbar auch ins Deutsche eingebürgert, zumindest in der Wendung „No-go-Zone“ bzw. „No-go-area“, um ein „völkisch befreites Gebiet“ der Neonazis zu kennzeichnen. Komisch, dass man sich dafür eines Fremdworts bedient, wenn sich so schöne deutsche Wörter für diesen Begriff anbieten lassen, etwa „Unzone“ oder „Ungebiet“. Ein Unding, nicht wahr? Oder vielleicht ein „no-brainer“.
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