Auf einem Gebiet haben Männer – und dazu zählt selbstverständlich der Autor dieser Zeilen – keine Expertise: das Wissen um die Frauen. Tatsache ist: Alles, was wir über Frauen zu berichten haben, hat mit einer Wunschvorstellung zu tun.
Die deutsche Sprache – wie auch jede andere – verfügt über eine Vielfalt von Wörtern, um das Konzept „Frau“ zu erläutern: „Frau“, „Mädchen“, „Weib“, „Magd“, „Ehefrau“, „Gattin“, „Dirne“. Alle bezeichnen einen biologischen, juristischen oder einen gesellschaftlichen Status. Man geht davon aus, dass Männer eine erhebliche Rolle an der Auslegung dieses Wortschatzes gespielt haben.
Wörter entwickeln aber bekanntlich ein Eigenleben. Wer hätte vor fünfhundert Jahren gedacht, dass das Wort „Weib“, im Alt- und Mittelhochdeutschen die übliche Bezeichnung für die kirchlich gesegnete Lebenspartnerin (wie das englische „wife“ noch immer), eines Tages als unhöflich gelten sollte? „Dirne“, heute ausschließlich eine „Prostituierte“, wurde früher auf jede junge, unverheiratete Frau angewendet. Der Grund für diesen moralischen Abstieg liegt auf der Hand: Eine Zeitlang verwendete man „Dirne“ für die junge „Dienerin“. Diese machtlosen „Jungfrauen“ (einst der gängige Begriff für „junge Frau“) wurden von ihren groben Arbeitgebern nicht selten zu anderen „Diensten“ gezwungen.
Beim Stichwort „Jungfrau“ ein paar Wörter zu Maria, der bekanntesten dieser Gattung. In den Evangelien wird sie eindeutig als „Unberührte“(griechisch „parthenos“) dargestellt. Doch der Gebrauch des Wortes „Jungfrau“ in diesem Sinn war wohl zur Zeit von Luther neu – vielleicht sogar eine Eigenschöpfung des Wittenbergers. Mit gleichem Vokabel übersetzt er eine berühmte Stelle des Propheten Jesaja (7,14), die für Christen seit jeher als Ankündigung der Geburt Jesu verstanden wurde. „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.“ Nur: Im Hebräischen handelt es bei dieser „Jungfrau“ (hebräisch „alma“) unmissverständlich um eine „junge Frau“.
Auch im Koran spielen die Jungfrauen (Arabisch „huri“) traditionell eine Rolle. Unsere Zeitungen informieren seit geraumer Zeit, dass sich Möchtegernselbstmordattentäter mit dem Gedanken trösten, dass sie nach ihrem grausamen Ende im Paradies von 72 Jungfrauen umsorgt werden. Diese Zahl ist übrigens nirgends im Koran belegt. Sie entstammt einer „hadith“ („Überlieferungstext“) aus dem 9. Jahrhundert. Tatsache ist: Die Übersetzung des Wortes „huri“ mit „Jungfrau“ ist seit Jahrhunderten umstritten. Der Wortschatz des Korans hat seinen Lesern schon immer Schwierigkeiten bereitet – auch arabischen Muttersprachlern. Der deutsche Semitist Christoph Luxenburg, hat in einem wissenschaftlichen Werk, „Die syro-aramäische Lesart des Korans. Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache“ (erschienen 2000), eine Lösung zum Problem gefunden. Er erläutert dieses Wort mit Hilfe der aramäischen Sprache, die zur Zeit Mohammeds noch weit verbreitet in Arabien war. In dieser Sprache bedeutete „hur“ lediglich „weiße Trauben“. „Weiße Trauben“ galten damals als typische Paradiesfrüchte.
Aber wer weiß, was Sache ist? Wie schon gesagt, auf dem Gebiet der Frauen – und nicht weniger auf dem Gebiet des Paradieses – haben wir Männer wirklich keine Expertise.
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