An manchen Tagen tut sich die Boulevardpresse schwer, den passenden Seite-Eins-Knüller zu finden.
Als langjähriger Leser der "Tabloids“ in München stelle ich mir folgende Szene vor: Die arg gebeutelte Redaktion sammelt sich um den "runden Tisch“, um auf der Schnelle die beste "Story“ auszuloten. Der/die eine(r) Redakteur(in) schlägt vor: "Wissenschaftler liefern den Nachweis: Weißbier macht schlank“ (Nein, das hatten wir erst vor drei Monaten). Nächster Vorschlag: "Was für ein Senftyp sind Sie? Wie der Senf Ihr Innerstes verrät.“ (Um Gottes Willen, damit machen wir einen Fass auf. Die Senfanzeigen laufen uns davon, wenn sie ungünstig dargestellt werden). Aber dann endlich der erlösende Einfall: "Stirbt das Bairische aus?“ (Jawohl, grad richtig!).
Und es stimmt. Den Dialekten, ob dem Bairischen, dem Allemanischen, dem Rheinländischen u.v.a.m. geht es nicht gut.
Warum es so ist, weiß jeder: Der Einfluss des Fernsehens, des Kinos und der Popmusik droht, traditionsreiche, regionale Mundarten in einen Einheitsbrei zu verwandeln. Mit Recht rechnen Sprecher der Dialekte mit der Ausrottung ihrer altgediegenen Spracheigenart. Denn immer mehr junge Leute reden, wie man im Bairischen sagt, "nach der Schrift“.
Auf das Risiko hin, das Falsche zu sagen, möchte ich aber einen weiteren Grund angeben, warum die Dialekte wie exotische Tierarten vom Aussterben bedroht sind: Die Mundartler sind selbst daran Schuld!
Jawohl! Sie haben richtig gelesen. Fakt ist, Sprecher der vielen deutschen Dialekte haben es schon seit langem versäumt, ihre regionalen Sprachen der Außenwelt zu eröffnen. Im Gegenteil: Sie tuscheln mundartlich untereinander, um eine hehre Exklusivität an den Tag zu legen. Die Vorstellung, dass in München, zum Beispiel, ein "Zugeroaster“ (für eich Preißen hoaßt dös "Zugereister“) Boarisch sprechen, mutet für viele Bairischsprechende geradezu abartig an. Wacklige Redeversuche der Neuankömmlinge werden meistens eigenartigerweise als Verarschung ausgelegt. Dies ist, so behaupte ich, ein grundfalsches Signal.
Schauen Sie: Die Niederländer haben vor vielen Jahrhunderten ihren niederdeutschen Dialekt in eine richtige Schriftsprache verwandelt. In der Schweiz gehört es zur guten Form, wenn der Zugereiste das "Schwyzerdütsch“ fließend verinnerlicht – auch wenn dies nicht ganz akzentfrei vonstatten geht. Im kleinen Luxemburg, hört man es ebenfalls gerne, wenn einer sich bereit erklärt, das liebliche "Letzenbuergesch" zu schwätzen.
Jawohl! Es gibt noch immer einen Platz für die Mundarten. Man muss sie aber für jeden zugänglich machen, der sie – wenn auch notfalls mit fremder Tonart – sprechen will.
Ende der Predigt.
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