Letzte Woche habe ich das Wort "Wikigootube“ erfunden, meine Erweiterung des neustdeutschen "Gootube“. Mein Neologismus sollte noch einprägsamer auf die wachsende Konsolidierung hinweisen, die momentan im Internet stattfindet.
Bald erfuhr ich aber, dass ein Blogger namens "Malach“ bereits im Herbst auf den gleichen Gedanken gekommen war und unabhängig von mir dieses neue Wort "Wikigootube“ geprägt hat. Die Synchronizität unserer Gedankenblitze erinnerte mich an die zeitgleiche dafür aber unabhängige Einprägung der Evolutionstheorie von Charles Darwin und Alfred Wallace. Wie man sieht: Ideen schweben doch in der Luft.
Als ich letzte Woche „Wikigootube“ googelte, fand ich lediglich vier Treffer vor – alle vom besagten "Malach“. Seitdem ich das Wort "Wikigootube“ in meinem Blog verwendete, das heißt, seit genau einer Woche, hat sich die Zahl der Treffer auf 89 erhöht. Die meisten von diesen sind allerdings gegenstandslos und führen nicht zu meinem Blog, sondern zu den schönen Texten meines philosophischen Mitbloggers Dr. Andreas Belwe. Typisch Google. Dennoch bin ich gespannt, wie die Zahlen nächste Woche aussehen werden.
Es ist eine Sache, ein Wort zu erfinden; eine ganz andere, wenn man erwartet, es müsste von der breiten Öffentlichkeit angenommen werden. Anfang der 70. Jahre versuchte mein Freund Edward, ein Amerikaner wie ich, gerade dies zu bewerkstelligen. Bewusst stampfte er einen neuen Begriff, "popping“, aus dem Boden und gab sich Mühe, diese Schöpfung an den Mann (bzw. die Frau) zu bringen. Zu diesem Zweck riefen er und einige Mittäter regelmäßig bei den lokalen Popmusiksendern in seiner Heimat Los Angeles an und verwendete das neue Wort entweder in Zwiegespräch mit dem Diskjockey oder manchmal auch live. Etwa: "Ich würde gerne den "popping“ neuen Song von soundso hören“, oder "Ich war auf einem "popping“ Konzert gewesen“ usw. Es war egal, was er oder seine Mitverschwörer sagten. Hauptsache, man habe das neue Wort in der Öffentlichkeit gelauscht. Die Arbeit war nicht umsonst. Manche Diskjockeys benutzten das Wort wirklich! Edward war im siebten Himmel. Doch das „popping“ konnte sich leider nie durchsetzen. So ist das Leben.
"Popping“ erinnert natürlich, zumindest dem Klang nach, ans neudeutsche "poppen“. Ich habe mich daher kurz entschlossen, die Herkunft auch dieses Wortes zu erforschen. Im Internet wird es in jüngster Zeit unter Wikigootubisten rege diskutiert. Die meisten Cybernauten beziehen sich auf einen Text aus "Die Zeit“ von Christoph Gutknecht, Professor für Anglistik. Er mutmaßt, dass "poppen“ im Ruhrgebiet heimisch sei, wo es ursprünglich die Bedeutung "stopfen“ gehabt habe. Vielleicht hat er auch recht. Dennoch frage ich mich, warum es erst in jüngster Zeit in die Jugendsprache aufgenommen worden ist, wenn es so altgediegen ist? Ich selbst recherchierte im "A und O“ der Vulgarität, dem ausgezeichneten "Sex im Volksmund – Der obzöne Wortschatz der Deutschen“ von Ernest Borneman (1971). Doch Borneman erwähnt das "Poppen“ mit keinem Wort. Daher meine Vermutung: Es handelt sich hier nicht um ein Dialektwort, sondern um einen Anglizismus bzw. einen Amerikanismus. "To pop“, wörtlich "knallen“, hat im amerikanischen Slang (ob ebenso in England weiß ich nicht) durchaus eine sexuelle Nebenbedeutung. Möglich wäre, dass das "Poppen“ über ein Hiphoplied in den deutschen Wortschatz gelangt ist.
Oder: Kann es sein, dass Edwards "popping“ doch überlebt hat und auf windige Weise auch Deutschland erreicht hat? Wenn Elvis noch am Leben ist, warum auch nicht das "popping“?
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