"Wie hört sich eigentlich für Amerikaner ein deutscher Akzent an?“ fragte treuer Leser Stefan letzte Woche, nachdem er meine Glosse über "meinen schönen Akzent“ gelesen hatte. Ich versprach ihm damals, dass ich mir Gedanken zu diesem Thema machen würde.
Meine Eltern und viele andere Menschen ihrer Generation beschrieben den Klang des Deutschen als "guttural“, d.h. "kehlig“, "rauh“, "heiser“. Diese oberflächliche Betrachtung gründete wohl in der Aussprache des deutschen "R“ in Wörtern wie "raus“ ("r-r-r-r-r-aus!“) oder "sp-r-r-r-echen“. Gerade dieser Laut fällt bei Englisch Sprechenden auf, weil das englische "R“ weiter vorne im Rachen formiert wird und von daher nicht "guttural“ klingt.
Doch das Kehlige als Hauptmerkmal des Deutschen zu bezeichnen, ist sicherlich ein Fehlschluss. Das französische "R“ – vor allem wie es in Paris ("Pa-R-R-R-R-IE“) gesprochen wird, tönt ebenso kehlig wie das deutsche. Trotzdem wird das Französische für Englischmuttersprachler als "weiche“ Sprache bezeichnet.
Als "hart“ (das Gegenteil also von "weich“) wird bei uns das Deutsche gekennzeichnet. Und da ist etwas Wahres daran. Denn im Gegensatz zum Englischen achtet das Deutsche sehr auf die Artikulierung der sogenannten "Knacklaute“ ("Glottalstopp“). Ausnahmslos werden anlautende Vokale im Deutschen von einem "Knacklaut“ eingeleitet. Beispiel: "ein Apfel“. Das "E“ in "ein“ und das "A“ in "Apfel“ werden beide wegen des Knacklauts vor dem Vokal deutlich hörbar. Vergleichen Sie "ein Apfel“ mit dem englischen "an apple“, das eigentlich als "a-nappel“ artikuliert werden muss. Fakt ist: Der Knacklaut im gesprochenen Englisch existiert kaum, er wird durch eine Verbindung mit dem letzten Konsonanten des vorangehenden Wort, ("Liaison“ genannt) verdrängt. Die Liaisonbildung ist ein wichtiger Teil der englischen (und amerikanischen) Aussprache. Wenn ein Deutscher den Satz "he ate an apple“ spricht, so achtet er instinktiv auf die Knacklaute. Der Satz klingt fürs englische Ohr dann wie abgehackt, "hart“ also. Wenn ein Muttersprachler diesen Satz spricht, hört es sich wegen der Liaisonbildung "weich“ an: "hie-jä-ta-nappel“. Alle Knacklaute werden von vorangehenden Konsonanten vollkommen unterdrückt. Das Französische funktioniert übrigens ähnlich.
Will ein Amerikaner bzw. ein Engländer einen deutschen Akzent nachmachen, so braucht er lediglich die Knacklaute wieder ertönen zu lassen.
Natürlich gibt es andere Merkmale, die für englische Ohren einen deutschen Akzent kenntlich machen. Zum Beispiel: Das englische "th“ wird zum "ss“ oder "s“. "They think“ klingt dann wie "säj ssienk“. Englisches "W“ wie in "wagon“ (sprich "UA-g’n“) wird zum deutschen "W“ wie in "Wagen“. Eigenartigerweise wird das englische "V“ (wie in "visit“) von deutschen Englisch Sprechenden oft als "uisit“, artikuliert. Warum, weiß ich nicht.
Aber man kann nicht alle deutschen Akzente im Englischen über einen Kamm scheren. Wenn Marlene Dietrich Englisch sprach, klang ihr Akzent stets reizend. Der verstorbene bayerische Ministerpräsident Franz-Joseph Strauß wirkte hingegen "typisch Deutsch“ mit seiner "harten“, "gutteralen“ Aussprache.
Es gibt noch andere Merkmale, die das Englische und das Deutsche unterscheiden: Vokal- und Konsonantqualität, Sprachmelodie usw. Das führt hier aber etwas zu weit.
Wenn Sie eine Karikatur der deutschen Aussprache im Englischen hören möchten, schauen Sie bei "YouTube“ unter Stichwort "Hogan’s Heroes“. (Diese merkwürdige "Sitcom“ über amerikanische und englische Kriegsgefangene im deutschen Gefangenenlager hieß in der deutschen Fassung, wenn ich mich nicht täusche, "Ein Käfig voller Helden“). Wie dem auch sei: Suchen Sie an dieser Stelle nach "Sergeant Schultz“. So hieß der tollpatschige deutsche Feldwebel, der stets von den "Helden“ genarrt wird. "Schultz“ spricht deutsches Englisch wie aus dem Bilderbuch.
Add new comment