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Knorke, duffte und Schneeglöckchen

Über das Sterben und die Wiederauferstehung von Wörtern schreibe ich heute nicht zum ersten und sicherlich nicht zum letzten Mal. Wörter sind anders als Menschen. Wenn wir das Zeitliche segnen, dann ist die Sache endgültig erledigt. Oder wie Koko die Gorilladame das Sterben ihrer Artgenossen mal so treffend beschrieben hat (Siehe: "Gespräche mit Tieren“ 10. Nov. 2006): "Gemütliches Loch, Wiedersehen“.

Wörter hingegen bestehen offenbar aus einem ganz anderen Stoff als wir. Kaum glaubt man, sie seien endgültig aus der Mode und für immer unter die Erde gebracht worden, schon drängen sie wie die Schneeglöckchen nach langem Winterschlaf wieder in die Sichtbarkeit.

Ein kurzer Aufsatz von Kurt Tucholsky über das Wort "knorke!“ bringt mich auf diese profunden Gedanken.

Wer es zufällig nicht weiß: "Knorke!“ war während der 20er Jahre geradezu DAS Modewort – vor allem im swinging Berlin. Es bedeutete so etwas wie "vorzüglich!“ und konnte auch attributiv, d.h. als Beifügung verwendet werden. Etwa: "eine knorke Biene“ usw.

Doch der Ruhm ist flüchtig. "Knorke!“ ist heute für die meisten zu einem verschütteten Wort eines vergangenen Zeitalters geworden, ist noch, so dachte ich, als noch bedrohter zu erachten als die diesjährigen "Sieger“ des Wettbewerbs um die schönsten verwaisten Wörter: "Kleinod“, "blümerant“, "dreikäsehoch“, "fernmündlich“ usw. "Knorke!“ klingt mittlerweile für viele so altertümlich wie "Rosskamm“.

Wie gesagt: So habe ich gedacht - bis ich eines Besseren belehrt wurde. Wer das Stichwort "knorke“ googelt, erhält in 0,08 Sekunden 127.000 Treffer. Auch "Wikipedia“ bietet einen Beitrag darüber. Unter den Webseiten, die ich persönlich besucht habe, fand ich zwar so wohl Sentimentales wie auch Altertümliches doch ebenfalls durchaus zeitgenössische Angebote, inklusive einige, die eindeutig von Jugendlichen betrieben werden. Zum Beispiel: "Knorke-Sachen“ (geführt von „Super-K“) oder "Knorke : StopHipHop.de“. Bei www.greenpeace4kids.de. Findet man die "knorke_klimahelden“ Das klingt eindeutig nach Leben in der Bude, oder?

Und "duffte!“. Als ich 1975 in Deutschland eintraf, war der Gebrauch von "duffte!“ in der prädikativen Bedeutung von "ausgezeichnet!“ oder attributiv ("Das war ein duffte Film“) noch sehr verbreitet. Mittlerweile erkennt man den Megagrufti an seinem vermoderten "duffte!“ – so dachte ich jedenfalls.

"Du bist der Megagrufti“, rügt mein Sohn gnadenlos. "Was du sagst, ist Unsinn. 'Duffte’ und 'knorke’ sind heute beide end tight.“ (Letzteres Idiom bedeutet, liebe Mitgruftis, "einsame Spitze"). Ende der Aussage.

Jeder Tag kann also zu einem Frühling der Wörter werden, liebe Surfer, liebe Surferinnen. Schauen Sie zu, wie die zwei oben erwähnten alten Freunde aus dem dunklen Unterirdischen des Sprachkollektiven zunehmend ins Licht der lebendigen Artikulierung ausgetrieben sind, ohne das es aufgefallen wäre. Somit haben wir den klaren Beweis, dass jedes Wort ein Schneeglöckchen ist.

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