Als ich letzte Woche an einem Text über Fälschungen arbeitete, war ich nahe dran, ein gefälschtes Gemälde als "getürktes Bild“ zu bezeichnen. Schnell zog ich aber die Sprachnotbremse. Denn ich halte dieses Wort für nicht mehr zeitgemäß.
"Türken“ im Sinne von "etwas vortäuschen“ gibt es als Idiom – so Küpper ("Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“) – seit dem späten 19. Jahrhundert. Es wurde wohl zunächst unter Soldaten und im Theatermilieu verwendet.
Küpper – und andere Sprachforscher – leiten diese Redewendung vom berühmten Schachautomaten des österreichisch-ungarischen Erfinders und Schriftstellers Johann Wolfgang Ritter von Kempelen de Pázmánd ab. Sein Urschachcomputer aus dem Jahr 1768 bestand aus einem Schachbrett und einer lebensgroßen Puppe, die in orientalischem Kostüm bekleidet war. Damals in der Blütezeit des osmanischen Kaiserreichs bezeichnete Europäer alle Menschen aus dem Vorderorient als "Türken“ – auch diese Puppe. Es stellte sich allerdings heraus, dass von Kempelens "Maschine“ doch keine war. Im lebensgroßen "Türken“ hockte ein kleinwuchsiger Europäer, der wohl gut Schach spielen konnte. Ob der Schachautomat für diese Redewendung wirklich Pate steht, ist zwar nicht hundertprozent bewiesen, eine andere treffsichere Erklärung gibt es jedenfalls nicht. Der Ausdruck "einen Türken bauen“, wird mit gleichem Sinn verwendet und wanderte wohl im Lauf des 20. Jahrhundert in den Jargon der Fernseh- , Rundfunk- und Presseleute. Denn eine Studiokulisse ist stets eine Scheinwirklichkeit, ein "potemkinsches Dorf“, sozusagen (Fürst Potemkin hat im 18. Jt. russische Dörfer nur zum Schein saniert – daher die "potemkinsche Dörfer“). Nebenbei: Die Redewendung, "einen Türken bauen“ gibt es auch im Französischen als "faire le Turc“ ("Türke machen“) – ebenfalls im Italienischen ("fare il turco“) und im Spanischen ("hacer el turco“).
Wie gesagt, ich halte den Gebrauch von "getürkt“ für nicht mehr zeitgemäß, und zwar deshalb, weil es heute eine erhebliche türkische Minderheit in Deutschland gibt, was früher nicht der Fall war. Ich stelle mir vor, dass Deutsche türkischer Herkunft, empfindlich auf diesen Ausdruck reagieren. Vielleicht irre ich mich aber.
Ist der Sprachbloggeur in seinen alten Tagen politisch korrekt geworden? Nicht ganz. Nur wenn es darum geht, andere Menschen grundlos zu verletzen. Sonst bin ich nach wie vor ganz offen für berechtigte Kritik. Ich denke aber ans Englische. Für amerikanische Kinder meiner Generation war es gang und gäbe zu sagen "to jap out“, wörtlich "ausjapsen“, um eine niederträchtige Handlung aus dem Hinterhalt zu beschreiben. Diese Redewendung entstand nach dem japanischen Überraschungsangriff auf die US-Flotte in Pearl Harbor, Hawaii am 7. Dezember 1941. Einen heimtückischen Menschen nannten wir folglich einen "Jap“, einen "Japsen“. Gleiches gilt für "to gyp“ (sprich "dschipp"), "betrügen in einem Geld- oder Warenhandel“. Das Wort stammt von "Gypsy“, „Zigeuner“ und weist auf gewisse Vorurteile gegen die ziehenden Völker. Heute halte ich auch diese negativen Personifizierungen für nicht mehr angebracht.
Ich gebe zu: Rücksicht auf andere zu nehmen, ist ein wahres Novum in der Sprachgeschichte, beinahe als Luxus zu bezeichnen. Früher war der Umgangston überhaupt um einiges derber. (Denken Sie an den lästernden Wortschatz für behinderte Menschen aus der eigenen Kultur). Dennoch halte ich es für richtig, wenn Menschen aus fremden Kulturen, sogenannte "ausländische Mitbürger“, möglichst nicht zu albernen Eigenschaftwörtern herabgesetzt werden.
Mit der Bezeichnung "Ami“ hingegen komme ich gut zurecht, auch wenn manche Menschen diese Bezeichnung für einen "Amerikaner“ etwas unfreundlich in den Mund nehmen. "Ami“ ist aber kein Eigenschaftswort vielmehr Kosename.
Fazit: Man muss nicht jeden lieb haben. Nach meiner Sittenlehre aber, soll man die Auseinandersetzungen stets so sachlich wie möglich halten.
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