Hier berichtet der rasende Sprachreporter aus der Ferne. Ich befinde mich momentan in meiner Heimat, den USA – der Hochburg der Informationsgesellschaft, würde man meinen, immerhin Heimat von Bill Gates, Google, YouTube, Wikipedia usw.
Der Schein trügt aber. Vielleicht wenn ich in New York, San Francisco oder Chicago wäre. Doch mein momentaner Aufenthaltsort ist eine Kleinstadt im nordwestlichen Maricopa-Tal, nahe der Stadt Phoenix (sprich "Fienix“). Ringsum sehe ich eine sagenhafte Wüste und zarte, kahle Berge. Tagsüber haben wir Temperaturen um die 45 Grad. Nachts sinkt das Quecksilber auf etwa 32 Grad. Ohne Klimaanlage hat man hier keine Chance zu überleben – zumindest nicht in der heutigen Behausung. Die Indianer bauten früher – das heißt vor 800 Jahren – dicke Lehmhäuser in dieser Gegend.
Tatsache ist: Viele Menschen, so nett sie auch sein möchten, sind hoffnungslos uninformiert. Das Fernsehen, der Rundfunk und die Zeitungen erzählen wenig von der Welt. Dafür informieren sie blendend über die "Sales“ in den Warenhäusern und anderen großen Geschäften. Wer gewohnt ist, seine Nachrichten in Europa zu beziehen, fühlt sich hier wie auf dem Mond. Die Schlagzeilen der heutigen Ausgabe der "Arizona Republic“ lauten zum Beispiel: "Arizona poverty down, income up“ ("Armut runter, Einkommen rauf“). Ob diese gute Nachricht stimmt, sei dahingestellt (man denkt an der Presse in der ehemaligen UdSSR). Tatsache ist aber: Nachrichten aus der weiten Welt (sprich Europa) sucht man in der Zeitung oft vergebens. Wenn doch berichtet wird, geht es meistens um unterhaltsame Katastrophenberichte (Brände, Überschwemmungen, Terror etc.), oder man findet vielleicht eine sehr kurze Erwähnung, dass Frau Merkel, M. Sarkoszy usw. da oder dorthin gereist seien. Im Fernsehen ist es noch schlimmer – viel schlimmer. Da wird selbst der Wetterbericht zu einem Krimi hochstilisiert.
Die Situation ist freilich ärger für einen Besucher wie mich. Viele Menschen haben immerhin Internet. Doch das Internet wird weniger für Zwecke der Information als der Unterhaltung benutzt. Ich selbst habe zuhause keinen Internetanschluss. In meiner Kleinstadt gibt es nicht einmal ein "Internet Café“ (dafür aber viel Fastfoodrestaurants). Will ich ins Internet – zum Beispiel, um diese Glosse an Sie zu schicken – muss ich eine weite Strecke zur "Surprise Library“ ("Surprise“ ist der Name eines Orts) fahren. Immerhin eine Möglichkeit, und dafür bin ich dankbar. Doch ich fahre nicht täglich in die Bibliothek. Alles viel zu umständlich. Man hat mir gesagt, es gebe auch in meiner Nähe einen "Hotspot“. (Hier sagt man "Wi-Fi“ für "WLAN). Der befinde sich in einer gewissen Pizzeria. Ich möchte den Namen nicht erwähnen, sonst habe ich einen Tross Anwälte am Hals! Denn die Pizza dort ist so erbärmlich schlecht, dass ich auf diese Möglichkeit lieber verzichte.
Ich rede die ganze Zeit über die Informationsdürftigkeit der Infogesellschaft. Dabei wollte ich heute ursprünglich eine kurze Glosse über das Wort "issues“ schreiben. Diese Vokabel bedeutet normalerweise im Englischen "Angelegenheit“ oder "Ausgang“ und ist ein altes Lehnwort aus dem Französischen (vom Latein "exitum“, also "Ausgang“ abgeleitet). Im Neuamerikanischen bedeutet "issue(s)“ "Problem(e)“. Man spricht von "weight issues“ ("Gewichtsprobleme“) oder "relationship issues“ ("Beziehungsschwierigkeiten“) usw. "Issues“ erinnert mich stark ans deutsche "Problematik“, ein Wort, dass oft mit "Problem“ verwechselt wird. Darüber habe ich vor längerer Zeit geschrieben.
Insofern plagen mich heute, Amerikanisch ausgedrückt, gewisse "information issues“. Sie darüber zu informieren, ist ein erster Schritt auf den Weg zurück in die Kommunikation.
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