Anlass für diese Glosse war ein flüchtiger Gedanke: Warum lebt Gott ausgerechnet in Frankreich? Ich habe mir nie träumen lassen, dass die Antwort auf diese Frage alle Geheimnisse der menschlichen Existenz beinhalten könnte.
"Leben wie Gott in Frankreich“, sagt man. (Nebenbei: Diese Redewendung wird nie von Jugendlichen verwendet. Es bedarf wohl eines gewissen Alters, bevor man auf solche Fantasien kommt). Und damit meint man, "vivre comme un prince“ ("leben wie ein Fürst“) oder leben "wie eine Laus im Grind“, "wie die Made im Speck“ usw.
Der Spruch ist in Deutschland, in den Niederlanden und sogar unter Flamen in Belgien ("leven zoals God in Frankrijk“) bekannt – letzteres finde ich äußerst interessant, weil es zwischen Flamen und Frankophonen sonst nur Reibereien gibt.
Doch warum soll Gott ausgerechnet in Frankreich leben? Eine kurze Suche in meinem "Röhrich“ ("Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“) wurde reichlich belohnt.
Kaiser Maximilian I, er herrschte von 1493 bis 1519 über große Teile Europas , scheint der erste gewesen zu sein, der diesen Gedanken über den Wohnort Gottes hegte. Er hatte sich offenbar ernsthafte Gedanken gemacht, was er tun würde, wäre er Gott. Um so nachzugrübeln, muss man wohl ein Kaiser sein. Darüberhinaus sinnierte er: Wenn er als Gott zwei Söhne hätte, würde er den einen Sohn zu seinem Nachfolger machen und den anderen auf den französischen Thron setzen.
Dies ist keine Erfindung. Maximilian hat in seinen Träumereien Gott auf den Thron von Frankreich gesetzt. Sicherlich nicht von ungefähr. Der König Frankreichs galt lange als absolute Macht. Vielleicht war Maximilian I ein bisschen neidisch auf den anderen "Gott“ in Frankreich.
Mit obiger Anekdote sind wir aber noch lange nicht beim Wortlaut unserer Redewendung. Röhrich bietet jedoch noch eine zweite Erklärung an – eine aus der Zeit der französischen Revolution. Wie jeder weiß, wurde die Kirche im damaligen revolutionären Frankreich kräftig entmachtet. Gotteshäuser wurden zugemacht, enteignet, säkularisiert. Gott hatte in Frankreich auf einmal wahrlich sehr viel Freizeit. Der Name des Witzbolds, der damals dieses Idiom aus der Taufe gehoben hat, ist nicht überliefert . Wahrscheinlich war es aber ein Deutscher. Das Bonmot war jedenfalls bald in aller Munde. „Leben wie Gott in Frankreich“ war eine geradezu perfekte ironisierende Beschreibung für die damalige Situation im Nachbarland.
Im Englischen ist diese Redewendung so gut wie unbekannt. In den USA sagen wir stattdessen "to lead the life of Riley“ ("das Leben von Riley führen“). Wer war Riley? Eine kurze Googlesuche gab mir sogleich die Antwort: Ein gewisser Walter J. Kennedy, Gefreiter in den US-Streitkräften, hat am 29. Juni 1918 im "Syracuse Herald“ einen kurzen Artikel über sein liederliches Leben im Stützpunkt Camp Dix im Bundesstaat-New Jersey veröffentlicht. "Dies ist wirklich ein tolles Leben“, erzählte er. "Wir bezeichnen es als ‚das Leben von Riley’.“ Wer dieser Riley war – der Name ist irischen Ursprungs –, werden wir leider nie erfahren. Gut möglich, dass Riley von seiner eigenen Berühmtheit nichts mitbekommen hat.
Ich habe oben behauptet, dass die Redewendung, "leben wie Gott in Frankreich“ alle Geheimnisse der menschlichen Existenz enthält. Und das stimmt tatsächlich. Um sie aber richtig zu deuten, muss man erst Kaiser werden oder selbst wie Gott in Frankreich leben. Bon voyage.
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