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Sch*ße, f**king sh*t usw.

Ihnen eine Herausforderung:

Zählen Sie die Schweinereien auf, die Ihnen – sagen wir – innerhalb dreißig Minuten Medienlektüre über den Weg kommen. Wie viele sind das?

Antwort: Mehr denn je.

Mit Medien meine ich natürlich Print und Internet. Allein auf YouTube-Vorschaubildern ist die Menge ziemlich hoch. Spiegel-Online Überschriften sind ebenfalls wenig zurückhaltend. Auch altgediegene Blätter wie die New York Times scheuen sich nicht mehr davor.

Hier lesen Sie aber bestimmt nicht den Anfang eines moralisierenden Predigts über eine heutige Dekadenz. Andere machen so was ohnehin viel besser als ich.

Ich bin bloß ein einfacher Wortschmied. Mir fallen diese neue Liebe zu Schweinereien in den Medien nur deshalb auf, weil ich alt genug bin, um eine andere Welt intim gekannt zu haben.

Aber genug der Schweinereien.

Ihnen ist es bestimmt aufgefallen, dass – vor allem in den sog. „Sozialmedien“ – mit dem Versprechen von grausamen Bildern angeködert wird. Sie wissen, was ich meine: Darstellungen von Hinrichtungen, Mord, Leichen u.d.gl. als Teasers. Man klickt auf so ein Versprechen, weil wir Menschen irgendwie von Hause aus voyeuristisch veranlagt sind. Doch kaum haben Sie auf die unappetitliche Seite geklickt, entdecken Sie, dass die Elemente, die Sie am meisten dazu verleitet haben zu glotzen, entweder verpixelt, verwischt oder eingeschwärzt aufgetischt werden!

So ein Mist!

Komisch: In den USA – zumindest vor dreißig Jahren – zählten in den Zeitungen und Zeitschriften (damals war das WehWehWeh noch nicht so weit), solche Bilder von Gewaltakten praktisch zum täglichen Kost, mit dem Zweck Leser zum Lesen anzulocken. O Sinnesfreude!

Nur eins wurde dem US-Leser damals vorenthalten: Nackte Menschen. Genauer gesagt, Abbildungen von Intimteilen anderer. Also Genitalien, Brüste und solche Dinge. Gewaltdarstellungen Ja. Nackedeien Njet.

Aber zurück zu „Sch*ße“, „f**king sh*t“ und ähnliche Scheiße: Der Gebrauch solcher Termini blieb – bis vor ein paar Jahren – im öffentlichen Leben eine Tabuzone – sowohl in Europa wie auch in den prüden USA.

Vielleicht mit recht.

Ich denke an meinen einstigen Professor für Latein auf der Uni in New York: Samuel Lieberman hieß er. Gott habe ihn selig, denn er weilt bestimmt nicht mehr unter uns.

Er hat mir einmal ob des Gebrauchs von Schweinereien direkt getadelt. Ich hatte damals eine Auszeichnung für ein Lyrikmanuskript erhalten. Die Gedichte waren reichlich mit salzigen Vokabeln gewürzt. „Wissen Sie,“ meinte Prof. Lieberman. „Halten Sie sich mit den four letter words lieber zurück. Sie sind nämlich das einzige Zauber, das uns in der Sprache noch bleibt. Benutzen Sie diese Wörter stets mit Bedacht.“

Ja, das hat er mich damals belehrt. Und ich habe die Lektion seitdem beherzigt.
Doch warum werden solche Vokabeln ausgerechnet heute im öffentlichen Leben so beliebt?

Meine Theorie: Sie sollen eine gewisse Intimität an den Tag legen. Als würde der Urheber dadurch zum Ausdruck bringen wollen: „He Alter, wir sind Kumpel!“

Anders gesagt: Es handelt sich um eine neue Art das Duzens, das zu einer Zeit entsteht, als das „Du“ zunehmend an Bedeutung verloren hat, weil man bei Meta, Google usw. immer geduzt wird.

Nebenbei: Im Englischen ist man per Du, wenn man mit anderen solche „four letter words“ reichlich benutzt.

Wird das auch mal das Schicksal der deutschen Sprache und des dt. „Du“ ebenso der Fall werden?

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