Man könnte ein wichtiges gesellschaftliches Problem mit zwei Wörtern – englische Wörter (wie so oft) – charakterisieren: „snowflake“ und „gooning“.
Das eine Wort, “Snowflake”, lässt sich ins Deutsch leicht übersetzen: „Schneeflocken“.
Das andere ist schwieriger. Wörtlich bedeutet „goon“ auf Englisch „Schwachkopf“ oder „Trottel“.
Ursprünglich wurde diese Vokabel als adjektiv, „gooney“, verwendet. Hinweise dafür reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Damals schrieb man „gony“. Erst im 20. Jahrhundert kam die Stunde des „goon“.
Das war damals. Denn nun ist aus „goon“ ein Verb geworden – zumindest in der Jugendsprache – und bedeutet „onanieren“. Genauer gesagt: Es weist auf eine exzessive Hingabe zu dieser Handlung.
Wahrscheinlich ist „goon“ in diesem Sinn nur ironisch, bzw., witzig gemeint. Denn manche behaupten, dass diese intime Beschäftigung mit sich, vor allem wenn exzessiv betrieben, zu einer unumkehrbaren geistigen Debilität führen könnte.
Nebenbei: Diese negative Einstellung zur Selbstliebe ist – kaum zu glauben – nicht allzu alt. Man kann sie beinahe genau datieren: und zwar ca. 1710 in London, als ein Buch zum Thema Onanie als Sünde erschienen ist. Der Titel ist ellenlang, und ich gebe sie hier nicht wieder. Der anonyme „Experte“ griff jedenfalls diese bis dahin allgemein bekannte und – meist – als harmlos geltende Praxis als gesundheitsschädigend an – und meinte, sie führe im schlimmsten Fall zum Wahnsinn (wie „gooning“!).
Offensichtlich war die Zeit reif für so ein Werk. Denn alsbald tauchten Copycat-Bücher zum Thema auf. Und in den nächsten Jahren vermochte die These des anonymen Autors viele Anhänger zu gewinnen. Unter ihnen übrigens einige bekannte Namen: etwa Voltaire, Rousseau – ja sogar Goethe.
Im 19. Jahrhundert war die Onaniefeindschaft mit Karacho auf dem Vormarsch. Erst Freud u. Co. konnten im 20. Jh. den Ruf der Onanie zumindest ein wenig rehabilitieren.
(Wer mehr über diese bemerkenswerte Kulturgeschichte erfahren will, kann meinen Artikel in der Schweizer „Weltwoche“ vom Oktober 2024 lesen.)
Ich gehe davon aus, dass der jetzige Gebrauch des Terminus „gooning“ nicht ohne Ironie gebraucht wird und mit endlosen Wiederholungen innerhalb 24 Stunden zu tun hat – quasi eine Art Wettbewerb mit sich selbst. Doch Google weiß alles.
Aber nun zu „snowflake“. Mit „Schneeflöckchen“ meint der augenblickliche Jugendslang das, was man auf Deutsch als „Weichei“ bezeichnet. Also jemand, der überempfindlich ist – und zu schmelzen droht, wenn ihm alles über die Stange schlägt.
„Gooning snowflakes“ ist allerdings meine Erfindung. Vielleicht wird auch mal ein Jugendlicher es erfinden oder übernehmen. Ich finde, dass diese Wortkombination etwas über unsere Zeit aussagt.
Denn überall sind die Überempfindlichen auf dem Vormarsch. Es handelt sich um Menschen, die nicht nur überempfindlich sind, sie haben auch das Bedürfnis, dieses allumfassende Gefühl, irgendwie durch Selbstliebe zu besänftigen. Solche Menschen habe ich also nun als „gooning snowflakes“ bezeichnet.
Ach ja, ich habe vergessen zu sagen: Die meisten von ihnen scheinen männlichen Geschlechts zu sein. Sicher gibt es auch weibliche (und diverse?) „goons“. Es sind aber die Männer die Überempfindlichkeitsbewegung führen.
Diese kurze Glosse erzählt nicht das Ende der Geschichte, sondern leider dessen Anfang. Fortsetzung folgt…
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