Lang überlegte ich, ob ich Peter Mark Roget zum Thema dieser Glosse machen solle. Denn er ist so gut wie unbekannt in Deutschland. Auch das Stichwort "Roget’s Thesaurus“ trifft hierzulande auf wenig Erkennung.
Engländer und Amerikaner wissen hingegen sehr wohl, was mit "Roget’s Thesaurus“ gemeint ist. Er ist nämlich das allererste – und bekannteste – Synonymenwörterbuch der englischen Sprache.
Ich komme auf Roget zu sprechen, weil über Mr. Roget (1779-1869) eben eine neue Biographie erschienen ist und ich in der "New York Times“ eine interessante Rezension über diese Neuerscheinung gefunden habe: "The Man who Made Lists“ ("Der Mann, der Listen aufstellte“).
Auch im Deutschen fehlt es nicht an Synonymenwörterbüchern. Ich persönlich benutze "Die sinn- und sachverwandten Wörter“ vom Duden Verlag. Meine Frau mag „Sag es treffender“ lieber. Die deutschen Synonymenwörterbücher sind allerdings genau das, was man von ihnen erwartet: Man sucht in alphabetischer Reihenfolge nach einem Wort und findet sogleich diverse sinn- und sachverwandten Alternativen. Schaut man etwa bei Stichwort "Gabe“ nach, so stößt man auf Wörter wie "Geschenk“, "Präsent“, "Angebinde“, "Aufmerksamkeit“, "Mitbringsel“ usw.
Ganz anders ist "Roget’s Thesaurus“ organisiert. Hier werden die Synonyme nicht in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet, sondern nach Kategorien. Ursprünglich teilte Mr. Roget seinen Thesaurus in sechs Oberbegriffe: "Abstrakte Bezeichnungen“, "Raum“, "Materie“, "Intellekt“, "Wille“ und "Gefühl“. Wollte man beispielsweise nach Synonymen für "Dummheit“ schauen, so suchte man in der Kategorie "Intellekt“, ging es um "Haß“ oder "Liebe", so schlug man unter "Gefühl“ nach usw. In späteren Ausgaben des Buches wurden noch zwei zusätzliche Oberbegriffe hinzugefügt: "Physik“ und "Sinne“. Das Werk ist also anhand von Ober- Unter- und Unterunterbegriffen hierarchisch aufgebaut. Zu Rogets Zeit zählte es insgesamt 1000 Unterbegriffe, bzw., "Listen“. Heute liegt die Zahl bei 1042.
Das Interessante an Roget als Mensch: Er scheint beinahe prädestiniert gewesen zu sein, dieses Werk zu verfassen. Bereits als Kind machte er sich mit Leidenschaft allerlei Listen: von Körperteilen, Tieren, von den Dingen in seinem Garten usw. Die Idee, dass er eines Tages aus dieser Prädisposition ein ganzes Buch voll Wörterlisten schreiben könnte, kam ihm schon 1805 in den Sinn. Die erste Ausgabe seines Thesaurus erschien 1852. Roget war damals Anfang 70. Er arbeitete weiter an seinem Thesaurus bis zu seinem Tod mit 90 Jahren.
Autor Kendall porträtiert Roget als schrulligen Zwangsneurotiker, für den die Ordnungsliebe Zeit seines Lebens stets das höchste Gebot war. Roget hat sogar die Zahl der Treppen gezählt, die er jeden Tag steigen musste (es waren 320). Er ist übrigens auch der Erfinder des Log-Log-Rechenschieber, eine Vorrichtung die erlaubt, Logarithmen am Rechenschieber zu errechnen.
Passend zu seinem Charakter war ein persönlicher Horror vor Schmutz und Unordnung. Unter dem Stichwort "uncleanness“ ("Unsauberkeit“) findet man in seinem Thesaurus einen ganzen Schwall "unsauberer“ Wörter. Schauen Sie selbst im Internet unter diesem Stichwort nach: (http://humanities.uchicago.edu/orgs/ARTFL/forms_unrest/ROGET.html).
Meiner Meinung nach ist "Rogets Thesaurus“ eigentlich kein Nachschlagewerk, sondern ein Kunstwerk. Genauer gesagt: Es ist das Innenleben eines Menschen, das zu einem Nachschlagewerk umgeformt wurde. Nicht Wörterbuch, sondern Psychogramm ist es, ein episches Gedicht, das nur so tut, als wäre es eine systematische Analyse der englischen Sprache.
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