Am Scharnier der Zweijahretür habe ich manchmal eine Glosse mit dem Titel „Wofür ich dankbar bin“ geschrieben.
Dieses Jahr tu ich’s nicht – aber nicht, weil ich für vieles, was ich habe und bin (bzw. nicht habe und nicht bin), nicht dankbar bin.
Dieses Jahr schreibe ich lieber über die Zeit.
Eigentlich meine ich „Zeit“, womit ich auf ein deutsches Wort hinweise, das einen Sinn und eine Geschichte hat.
Diese Vokabel „Zeit“ hat einen englischen Verwandten namens „tide“, das „Flut“ oder „Gezeit“ bedeutet. Wenn man über „Zeit“ erzählt, geht es immer um einen zählbaren Rhythmus. Das engl. Wort „time“ scheint zu einer sehr frühen…Zeit…mal den Sinn „Messung“ oder „Maß“ gehabt zu haben.
Man kann davon ausgehen, dass Tiere – sorry PETA – kein bewusstes Gefühl für die Zeit haben. Sie leben nach der Zeit – und zwar manchmal viel genauer danach als wir – doch all dies ist purer Instinkt.
Nur dem Menschen fällt es – bewusst – auf, dass alles um ihn einen Rhythmus hat, einen Takt, den man zählen kann. Und voilà! Bald hat man den Tag in Segmenten eingeteilt, die irgendwie auf die Bewegung von Sonne und Mond gegründet sind.
Dann geschah es: Die Menschen erachteten die Zahl zwölf als besonders wichtig. Dies geschah wohl in Babylon oder in Sumer…oder vielleicht viel früher. Irgendwie komisch: Man hat zehn Finger und zehn Zehen. Die Stunden des Tages hat man dennoch gezwölfteilt. Dito die Stunden der Nacht.
So zählten auch die Römer Es waren stets zwölf Stunden Sommer und Winter. Manchmal waren diese Stunden kürzer manchmal länger – je nach der Menge Licht und Dunkel.
Klar: Das mit der Zahl zwölf kommt daher, dass sich der Mondzyklus etwa zwölf Mal wiederholt, bis die Sonne genau da aufgeht, wo er am Anfang des Mondzyklus aufgegangen war. Ein Jahr also.
Komischerweise haben die Ägypter das Jahr in zehn Einheiten eingeteilt.
Und nach und nach hat man Messgeräte (s. Stonehenge) erfunden, um immer genauer die Zeit zu messen, zu zählen.
Aber halt! Es gibt auch die unzählbare Zeit. Womit ich die subjektive Zeit meine. Das ist die ganz persönliche Empfindung über die Länge der Zeit.
Als ich jung war, kam mir – manchmal – die Ereignisse eines Tages (oder ein paar Tage) wie ein Jahr vor. So viel geschah. Im Alter kommt mir – manchmal – ein ganzes Jahr wie ein Tag vor. Kaum hat man sich an eine Jahreszahl gewöhnt, ist sie schon vorbei, und man zählt ein neues Jahr. Wenn ich an das Jahr 2023 denke, scheint es mir, weit zurück zu liegen. Dieses Schicksal hat jetzt 2024 ereilt.
Da ich Liebhabermusiker bin, weiß ich die Zeit zu respektieren. Ich muss das nämlich. Denn wenn ich spiele, muss ich sie einhalten – vor allem, wenn ich mit anderen zusammenspiele. Sonst entsteht Chaos.
Dass man heute mit atomischen Uhren und sonstigen Messgeräten die Zeit in Bruchstücke einer Sekunde messen kann, ist Luxus oder vielleicht ein Fetisch oder vielleicht bloß eine Spielerei – außer vielleicht, wenn man nach Mars fliegt, wo die Zeit dann ganz anders wird. Doch das ist ja ein anderes Thema.
Keine Ahnung, wann Sie diese Glosse lesen werden. Dennoch wünsche ich Ihnen ein gutes Jahr – egal wie lang für Sie ein Jahr dauert – und egal welches Jahr.
Ihr Sprachbloggeur
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