Die deutsche Sprache kennt zwei Viren. Leider kann ich den Unterschied nicht ganz erklären. Einmal heißt es der, einmal das Virus.
Soweit ich‘s verstanden habe, sagt man das Virus, wenn sich Ärzte oder Wissenschaftler in der Kantine oder in der Fachzeitschrift über diverse Virenarten unterhalten. Der Virus überlässt man dem Laien. Habe ich den Unterschied richtig erfasst? Ist das wichtig?
Lange waren die Viren beinahe ausschließlich ein winterliches Thema. Denn zu dieser Zeit kursieren die viralen Krankheiten am intensivsten. Dann kam Corona – oder wie manche sagen: Covid-19, also „corona virus disease 2019“. Auf einmal ist das Wort „Virus“ viral gegangen.
By the way: Die Vokabel “Virus” entstammt dem Lateinischen und bedeutet „zähe Flüssigkeit“, „Schleim“, „Gift“. Erst am Ende des 19. Jh. erahnte Wissenschaftler, dass es Erreger gaben, die winzig wie Bakterien waren aber doch anders. Ich glaube, dieses Etwas wurde erst im Schleim einer Tabakpflanze entdeckt.
Vielleicht irre ich mich. Man sagt über Viren, dass sie irgendwie Lebewesen sind oder vielleicht doch nicht. Manche me, es seien nur Informationsketten.
Wie dem auch sei. Dieses Wort ist seit Jahren zunehmend viral gegangen. Heute sind der und das Virus zu festen Bestandteilen sowohl der wissenschaftlichen wie auch populären Sprache mutiert.
Und dann glitten wir ins digitale Zeitalter. Und auch die Inforevolution ist viral gegangen.
Zuerst zeigten die Verbrecher wenig Interesse. Doch dann fragten sie sich: Hmm, wie können wir dieses neue, weltumfassende Kommunikationsmittel vergolden? Die Antwort wissen Sie längst: Phishing und Hacking usw.
Aber wie nennt man die Hauptkomponente des Erfolgs der Cyberkriminalität? Ja, klar: die Viren! Kleine giftige Informationsketten, die einen Rechner „infizieren“. Der Name ist wie maßgeschneidert.
Informationsketten? Eigentlich winzige Progrämmchen, die aus Bits und Bytes bestehen und in der Lage sind, Rechner krank oder lahm wie Polio zu machen.
Vielleicht wurden diese Viren am Anfang nur als der Schabernack heranwachsender Informatiker erdacht. Nach dem Motto: Mal sehen, was geschieht, wenn ein Rechner „infiziert“ wird.
Wie aber jeder weiß, sind die Viren viral gegangen!
Viral gehen. Schon wieder dieser Begriff, der in diesem Text wie ein Refrain wirkt. Können Sie sich noch erinnern, was man sagte, bevor es das „Viral gehen“ gegeben hat? Vielleicht „weggehen wie die warmen Semmeln“?
Eigentlich eine Lehnübersetzung aus dem englischen „to go viral“. Sie war aber so pfiffig, dass sie in Eilverfahren den deutschen Pass erhielt.
Doch wie kam es, dass „Viral gehen“ derart viral gegangen ist?
Dumme Frage.
„To go viral“ und seine deutschsprachige Entsprechung sind deshalb viral gegangen, weil wir im Zeitalter der Sozialmedien leben! Da gehen die Moden und Sprüche weg wie die warmen Semmeln.
Kein Mensch weiß genau, wann und wo „to go viral“ zuerst viral gegangen ist. Die Experten mutmaßen Ende des 20. bzw. Anfang des 21. Jh. als Zeitpunkt. Und wo? Ich persönlich tippe auf „Twitter“. Können Sie sich noch erinnern? Alle haben früher getwittert, bevor Twitter ge-X-t wurde.
Ich werde die Sache aber weiter recherchieren. Bin neugierig. Hier aber ein letzter Gedanke: Wenn Twitter so schnell verschwunden ist, könnte dieses Schicksal auch anderen Granden der Gegenwart ereilen? Amazon, z.B., oder Facebook? Und nun denke ich: Es könnte auch einmal eine Impfung gegen „Viral gehen“ geben. Fortsetzung folgt…
In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Forschungsreise in tiefster Vergangenheit.
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