Durch Zufall (gibt es ihn wirklich?) bin ich letztens auf eine deutsche Redewendung gestoßen, die mir bisher unbekannt war. Das geschieht immer seltener, und ich bin stets dankbar, wenn ein Lichtstrahl einen schattigen Schlupfwinkel dieser Sprache erhellt.
Es geht um: „Wir haben noch keine Schweine gehütet.“ Ich nehme an, dass Ihnen als Muttersprachler dieser Spruch vertraut ist…oder?... obgleich er heutzutage kaum mehr im Gebrauch ist.
Mir war er zwar unbekannt, doch ich habe ziemlich schnell erraten, worum es geht: Hier wird gemeinsame Erfahrung oder deren Mangel, Vertrautheit also, thematisiert.
Heinz Küpper zufolge – er hat das schöne „Wörterbuch der dt. Umgangssprache“ geschrieben – wird diese Redewendung ca. 1500 zum ersten Mal belegt. Der unmittelbare metaphorische Bezug: Zwischen Hütejungen gibt es keine Herr/Knecht-Beziehung. Man ist von daher automatisch per Du.
Damals – anders als heute – hat man auf den Gebrauch des „Sie“ (oder „Ihr“) und „Du“ sehr genau geachtet. Hätte einer einen anderen also unverdient geduzt – wie heute Google, Apple und Co. es mit uns tun – käme, wie aus der Pistole geschossen, die Antwort: „Aber bitte, wir haben noch keine Schweine gehütet…oder?“
Notabene: In obiger Redewendung spielt das Schwein selbst eine ziemlich neutrale Rolle. Man hätte dieses Tier beliebig mit „Huhn“, „Kuh“, „Ziege“ u.v.a.m. ersetzen können. Hier geht es lediglich um Ranghöhe.
Bleiben wir aber beim Schwein. Denn dieses Tier wird unser eigentliches Thema sein. Im Deutschen allein zählt Küpper 49 Redewendungen, die das Schwein in den Mittelpunkt rückt. Auch in anderen Kulturen spielt dieses Lebewesen eine kulturgeschichtliche Rolle. Heißt es nicht in den Evangelien, man solle keine Perlen vor die Schweine werfen? Womit man meint, es ist vergebliche Liebesmühe, Kostbares an Ignoranten zu vermitteln. Das gefräßige Schwein wird also seit der Antike zum Sinnbild eines Grobians.
Komisch. Eigentlich gelten Schweine als intelligente Tiere. Warum um Gottes Willen werden sie…zur Sau gemacht? Vielleicht deshalb, weil sie so gerne im Schlamm wühlen, was uns verständlicherweise als schmutzig vorkommt. Vielleicht deshalb wird „Schwein“ in den verschiedensten Sprachen, als Beschimpfung aufgefasst. Menschen haben nämlich sauber zu sein – im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Noch dazu fressen Schweine alles – gleichsam lebendige Mülltonnen. „You eat like a pig“, sagt man auf Englisch, oder „Don’t be such a pig”.
Frage: Wenn Schweine so dreckig und ohne Anmut sind, warum werden sie von uns so gern gekocht und gebraten? Hmm?
Mir fällt keine anständige Antwort ein.
Wenigstens im Alten Testament galt das Schwein als unrein, weshalb die alten Hebräer (und auch andere im Nahen Osten) diese Tiere von der Speisekarte strichen.
Doch warum gestrichen? Weil sie im Schlamm wühlten und deshalb unrein waren?
Aber woher. So was hat noch nie die meisten Menschen daran gehindert, eine leckere Schweinshaxe zu verinnerlichen. Es gibt aber einen guten Grund im Nahen Osten dieses Tier nicht zu essen. Fakt ist: Das Gelände Israels, ebenso Arabiens usw. ist letztendlich knochentrocken. Man ging in diesen Ländern schon immer sehr sparsam mit dem Wasservorrat um.
Schweine aber – wie Menschen – brauchen viel Wasser, um im gewohnten Schlammbad zu laben. Das heißt: Mensch und Schwein sind, was das Wasser betrifft, bittere Rivalen. Diese Tiere als unrein abzuqualifizieren, ist im Grunde eine vernünftige Umweltmaßnahme. Wenn das Schwein um sein Glück wüsste, wäre es bestimmt dankbar.
„Schwein gehabt!“ könnte man sagen. Ende dieser kurzen Doktorarbeit.
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