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Klänge auf Wanderschaft

Vielleicht verstehen Sie wenig oder nichts von der Musiktheorie. Ist hier ohnehin unwichtig.

Mein Flötenlehrer hat mich neulich gebeten, eine Es Dur Tonleiter vorzuspielen. Was habe ich gemacht? Ich habe F Dur gespielt. Warum? Weil „Eff“ und „Ess“ zu den Lauten zählen, die eine hohe Tonfrequenz haben.

Wer schwerhörig ist – egal wie sehr – , der vermag häufig zwischen diesen zwei Lauten nicht zu unterscheiden. Es gibt andere solche Töne: z.B. „z“, „sch“ und auch „t“.

Müssen Sie heute mit einer Glosse über die Schwerhörigkeit rechnen?

Keineswegs. Es geht – wie meistens um die Sprache. Und zwar darum, dass Sprachen immer im Wandeln begriffen sind. Aber das weiß jeder – irgendwie.
Mein Lieblingsbeispiel: das spanische Wort „peligro“. Es bedeutet „Gefahr“. Ja, Sprache ist immer gefährlich. Zu bemerken aber: Um dieses Wort korrekt auszusprechen, muss man das „R“ kräftig mit der Zunge rollen.

Diese Vokabel wird vom lateinischen „periculum“ abgeleitet. Meine Frage: Was ist geschehen, dass daraus „peligro“ entstanden ist?

Fangen wir am Anfang an: Man kann davon ausgehen, dass auch die Römer das „R“ in diesem Wort mit der Zunge kräftig gerollt haben. Das machen die Italiener immer noch, wenn sie „pericolo“, ihre Version dieser Vokabel, über die Lippen bringen. Nur. Dieses Zungen-„R“ kann mal sehr launisch sein. Manchmal will es einfach zu einem „L“ werden. Ich vermute, dass so etwas auch in der römnischen Provinz Hispania passiert ist, und dass die Lateinisch Sprechenden dort bisweilen „peliculum“ sagten.

Und jetzt zum Gesetz der faulen Zunge. Will heißen, dass Menschen gern schnell reden – als wäre Sprache ein Hindernis, eine Last für die Kommunikation. Wenn ich, z.B., Englisch mit einem anderen Native Speaker rede und etwas nicht richtig verstanden habe, frage ich selten „What did you say?“, sondern etwas wie „whah ya say“? Ja, das Gesetz der faulen Zunge.

So schlampig redeten auch wohl die Römer. Wahrscheinlich haben die faulen Zungen nicht einmal „peliculum“ gesagt, sondern etwas noch knapper: vielleicht „peliculu“ oder „peliculo“. Hmm. Klingt bereits beinahe wie das heutige italienische „pericolo“. Zungen-„R“ bitte.

In Hispania haben die Leute damals „peliculo“ so rasch über die Zunge gebracht – und jeder weiß, dass die Spanier rasend schnell reden – dass daraus „peliclo“ wurde.

„Peliclo“.Hmm. Klingt irgendwie komisch – als würde das Wort kaum mehr Substanz haben. Vielleicht deshalb verwandelten die Urspanier das „C“ in ein „G“, um es etwas fleischiger erklingen zu lassen. Nun haben wir „peliglo“.

„Peliglo“? Zweimal „L“? Wie hässlich! Was macht man? Man rollt das „L“ kräftig mit der Zunge, bis daraus ein gerolltes „R“ entsteht. Und siehe da! Jetzt sind wir endlich bei „peligro“ gelandet!

Fassen wir zusammen: Faule Zungen und das nicht genau Hinhören als Hauptschuldige. Kein Wunder, dass Sprachen am Wandeln sind. Ohne eine Schriftsprache, die eine Art Sprechdisziplin erfordert, würden all diese Sprechsysteme wahrscheinlich noch schneller zu etwas anders mutieren.

Und jetzt wissen Sie, warum ich eine F Dur Tonleiter spielte, während mein Lehrer auf Es Dur wartete.

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