Können Sie erraten, worum es hier geht?

Jack will Ihnen von Büchern erzählen, die er neulich wiedergefunden hat. Er verlangt 11 Minuten und 40 Sekunden Ihrer Lebenszeit, um Ihnen dieses Ereignis detailliert zu schildern. Den bebrillten Misha sieht man auf einem Bild. Im Hintergrund ein See. „Hier haben wir gestern zwei gute Männer verloren“ liest man darunter. 1,5 Millionen Menschen waren bereit, Misha 14 Minuten zu lauschen. Auch die zwei Jünglinge, die sich „Wineholics“ nennen, sollen wir erwähnen. Einer steht mit nacktem Oberkörper da. Kopf an Kopf sieht man den anderen ihm entgegen. Unten ein Text: „When you are a snack but he is not hungry” (Wenn du zu knabbern bist, aber er hat keinen Hunger). Acht Minuten seiner kostbaren Zeit muss man abgeben, um herauszufinden, was hier los ist.

Ja, Sie haben es doch erraten. Ich gratuliere. Ich beschreibe einige Zufallstreffer, die mir auf meinem sog. „YouTube“-Feed“ angeboten wurden. Hier noch ein paar:

Ein gewisser jvscholz will jedem die neue Ordnung auf seinem Schreibtisch zeigen. „Productivity Desk Setup 2025“ nennt er das. Die Zurschaustellung dauert ca. 13 Minuten und wurde bisher von über 300.000 neugierigen Menschen begafft. Abe Ott erklärt, er sei reingefallen, und es habe 18 Jahre gedauert, bis er endlich die Masche kapiert habe. Er könne uns das Ganze in knappen sechs Minuten näher erläutern. Abe sieht aus, als wäre er selbst ca. 18 Jahre alt. Hmmm. Was hat er wohl entdeckt? Das Video wurde erst vor drei Wochen upgeloadet. Bisher haben fast 100.000 Interessierte hingeguckt.

Dr. Marty Klein fragt hingegen, warum Männer Geld ausgeben, um von einer anderen Person mit der Hand befriedigt zu werden. Gute Frage, Dr. Klein. Immerhin: ca. 19.000 Neugierige wollten es bisher wissen.

Oder klicken Sie Baybong Diary an. Er wird Ihn während 23 Minuten von seiner Herzchirurgie berichten.

Manche ergießen sich über ihr baldiges Ableben oder für die, die es mögen, über saftige Details aus ihrem Geschlechtsleben (bzw. dessen Mangel), oder über ihre Depressionen, oder über ihre Vorstellungen, wie man die Menschheit retten kann.

Ach! Genug der Beispiele! Und glauben Sie mir, an dieser Stelle möchte ich YouTube nicht verunglimpfen. Denn diese Einrichtung kann auch sehr nützlich sein, wenn man sich über Musiktheorie, Hörgeräte, Smartphones, Mathematik, Stricken, Blumengießen usw. usw. informieren will.

Sie haben auch die Möglichkeit, ein Video zu sehen, indem ein Gedicht von mir (auf Englisch) mit Musik und beeindruckenden Videobildern vorgetragen wird.
Für jeden etwas.

Warum schreibe ich aber all dies?

Vielleicht, weil YouTube ein beinahe endloser digitaler Jahrmarkt geworden ist, so dass meine Fähigkeit, es zu verstehen oder auch zu beschreiben, zunehmend ins Stocken gerät. So viel zu sehen. Für jeden etwas: ob VoyeuristIn oder SelbstdarstellerIn. Kunst, Unterricht, Propaganda, Information, Lügen. Alles da! (Sicherlich sind TikTok, Instagram u.a.m. nicht anders. Nur ich kenne sie nicht).

Eins aber verlangt YouTube von Ihnen als Gegenleistung: Ihre Zeit. Darüber hinaus will YouTube über Sie Werbung vergießen – es sei denn, Sie kaufen sich ein „Premium“ Abo. Dann ist alles Werbungfrei.

Wer will, kann ganze Tage, Wochen, Monate, Jahre mit dem Inhalt dieser Seite verbringen. Ein ganzes Leben im Virtuellen verbringen…

Und dann fällt mir ein: Eines Tages wird es ganz anders wieder werden. Ja, ganz anders. Wie und wann, weiß ich nicht, aber ich bin sicher, dass ich recht habe und habe heute deshalb das Bedürfnis, dies auch zu bekunden. Damit habe ich nun den Anfang gemacht.