Eines Tages war es da, ein schmales, eckiges schwarzes Banner unten links auf dem sog. „Desktop“: „Yandex/support/…usw.“ stand darauf. Ein Rätsel. Zumindest mir. Bis ich nach dem Wort „Yandex“ googelte. So heißt nämlich ein russischer Browser. Irgendwie hatte ich einen Link auf dem Desktop zu diesem Browser. Eigentlich kein Link, sondern lediglich eine fest eingeprägte Adresse. Ob Maus links oder rechts geklickt, war dieses Banner einfach da. Nicht zu entfernen. Komisch, habe ich gedacht.
Es folgte der nächste Streich:
Auf einmal war eine meiner diverser Desktop-Ikone in Miniformat erschienen. Keine Ahnung, warum. War aber nichts zu machen. Auch Word, wichtiges Werkzeug des Schriftstellers, fing zu spinnen an: Es fragte jedesmal, ob ich ich bin und bat dann um Anmeldung.
Bin ich vielleicht von einem digitalen Ungeziefer überfallen?, fragte ich mich und bekam es mit der Angst. Schließlich lagert man – und frau – auf dem Rechner ein halbes Leben, wenn nicht mehr. Texte, Fotos, Musik, Emails und was sich sonst alles über die Jahre ansammelt. Bin ich dabei alles zu verlieren? Wurde mein Rechner von Verbrechern gekapert? Muss ich ein Lösegeld bezahlen?
Solche Gedanken und Fragen gingen mir durch den Kopf. Kein gutes Gefühl. Es ginge Ihnen sicherlich nicht anders.
Als erste Hilfe entschloss ich mich, das Wichtigste in die „Cloud“ zu verlegen. In meinem Fall heißt diese „Cloud“ OneDrive. Mengen von Texten habe ich rübergefrachtet. Nur: Sie kamen nicht in die „Cloud“ an. OneDrive hat sie auf dem Rechner gelagert. In Handarbeit musste ich sie selbst vereinzelt in die „Cloud“ verschicken. Auf OneDrivisch heißt das „Freiraum schaffen“ o.ä.
Dann ist es passiert: Plötzlich ist der Rechner total durcheinandergeraten. Eine endlose Lupe, die ich nicht verlassen konnte. Unmöglich auch den Rechner herunterzufahren. Cyberinfarkt. Oh je. Ist es geschehen? Ist alles nun für alle Zeiten weg? Doch gekapert?
Es war an einem Sonntag. Verzweifelt suchte ich nach einer Lösung. Endlich fand ich die Visitenkarte eines Computerfachmanns, der vor drei Jahren etwas Arbeit an meinem Rechner geleistet hatte. Ich erreichte ihn.
„Es ist Sonntag“, tadelte er, „mein freier Tag. Dann erklärte er mir, es sei momentan bei ihm arbeitsmäßig landunter. Er habe keine Zeit – erst recht nicht an einem Sonntag – für meine Probleme. Ich solle ihn in zwei Wochen zurückrufen. (Notabene: Computerreparatur – guter Beruf).
Aua. So was will ein verzweifelter Mensch nicht hören. Aber was sollte ich jetzt tun?
„Ich kann meinen Rechner nicht einmal ausschalten“, sagte ich.
„Halten Sie den Power Button 15 bis 20 Sekunden gedrückt“, sagte er. Sie werden den Rechner dann ausschalten können.“
Hab ich gemacht. Es hat geklappt.
„Rufen Sie mich in zwei Wochen an“, falls Sie mich noch brauchen.“
Ende des Gesprächs. Nach einer Stunde schaltete ich den Rechner probeweise noch einmal ein. Alles perfekt! Keine Mini-Ikone, kein Banner.
War mein Rechner lediglich verschnupft? Durcheinandergeraten? Hat das Ausschalten, die Bits und Bytes entknotet?
Keine Ahnung. Fest steht: Am nächsten Tag war alles wieder gut. Ebenso am Tag danach. Erst gestern kehrte die Mini-Ikone zurück. Die nächste Runde?
Keine Ahnung. Auf jedenfalls habe ich prompt allerlei Updates durchgeführt. Außerdem habe ich erfahren, wie man einen Rechner wirklich ausschaltet. Denn das, was wir „Herunterfahren“ nennen, ist eigentlich eine Art Schlafmodus. Drücken Sie auf „Herunterfahren“ und halten Sie gleichzeitig die „Shift“-Taste gedrückt. Damit schalten Sie Ihren Rechner wirklich aus. Das habe ich gemacht. Alles funktioniert, aber die Mini-Ikone ist noch immer da.
Wie geht es weiter? Der Gang zum Reparaturmann ist mit Sicherheit unumgänglich. Ich hoffe nur, dass bis dahin alles noch funktioniert.
Vor drei Wochen stürzten meine Bücherregale ein. Nun gebärdet sich mein Rechner als höchst bedrohlich. So gefährlich ist es Information zu sammeln.
Immerhin: Papier ist nicht elektronisch. Was passiert, z.B., wenn ein Sonnensturm oder ein Cyberangriff alle Rechner und Infowolken heimsuchen sollten? Kann ja alles passieren. Was passiert dann?
Ja, liebe Leser, was dann?
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