Am 27. April 2020 stürmte die Polizei ein Haus in der Kleinstadt Bethpage im US-Bundesstaat Tennessee, wo, so hieß es, eine Frau in Lebensgefahr sei. Der sechzigjährige Hauseigentümer Mark Herring überlebte den Einsatz nicht. Er erlag auf der Stelle einem Herzinfarkt. In seinem Haus war allerdings keine Frau in Lebensgefahr. Falscher Alarm also? Nein, noch schlimmer. Ein gewisser Shane Sonderman hatte diesen Einsatz veranlasst. Und zwar aus einem besonders merkwürdigen Grund: Herr Herring hatte den Twitter-Namen „@tennessee“, und Sonderman wollte ihn strittig machen – koste, was es wolle. Durch diesen falschen Alarm wollte Sonderman Herring als Druckmittel das Leben schwer machen. Diesmal war er zu weit gegangen und wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Obendrein wurde ihm ein Bußgeld in Höhe von 250.000 Dollar aufgedonnert. Der Anklagepunkt hieß “Swatting”.
Vielleicht kennen Sie diesen Begriff. Mir ist er neu, obgleich er schon seit 2008 im Englischen im Sinne von einem vorgetäuschten Noteinsatz als Akt der Aggression verwendet wird. Bereits 2015 steht er sogar im Oxford Dictionary.
„Swat“ als Wort ist mir sehr wohl bekannt. Diese Vokabel benutzt man seit Jahrhunderten, um zu beschreiben, was man tut, wenn man Fliegen usw. schlägt oder klatscht. Der „Fliegenklatscher“ heißt auf Englisch „fly swatter“.
Und dann kamen die massiven Unruhen der 1960er Jahre, die damals seitens der Polizei eine gebührende Antwort provozierten. Zu diesem Zweck wurden in den USA Einsatzeinheiten neu gegründet. In der Stadt Philadelphia bekam diese Einheit den Namen „S.W.A.T.“, eine Abkürzung für „Special Weapons And Tactic“, ein sog. Akronym. Natürlich sollte man an den Fliegenklatscher denken. Es folgte 1967 ein ähnliches „SWAT-Team“ in Los Angeles. Das war nur der Anfang.
Wie der Zufall es wollte, habe ich 1968 das neu gegründete Los Angeles SWAT-Team erlebt. Damals wurde es nach Isla Vista, Kalifornien, einem Studentenviertel nahe Santa Barbara, beordert, um besonders heftige Jugendkrawallen niederzuschlagen.
Vielleicht herrschte damals etwas Verspieltes im Zeitgeist vor. Denn ich habe selbst SWAT-Ordnungshüter gesehen, die wie Komparsen aus einer Robin-Hood-Verfilmung wirkten. Vom Gürtel baumelte ein Schwert in einer Scheide herunter. Zwar wurde weder durchstochen noch geköpft, aber das Tragen von Schwertern schien manchen vom „SWAT-Team“ Spaß zu machen.
Die Jahre vergehen, die SWAT-Teams sind aber geblieben und der Begriff hat sich – zumindest in den USA – in der Sprache befestigt. Kein Wunder, dass jemand auf die Idee kam, eine Fernsehserie mit dem Namen „S.W.A.T.“ zu erfinden. Noch immer ist sie bei Netflix zu sehen. Da ich weder ein Netflix-Abo habe noch keinen Fernseher, kann ich über „S.W.A.T.“ nix berichten.
Der Begriff „Swat team“ ist aber offenbar in den USA so geläufig, dass er – wie oben schon beschrieben – in der Umgangssprache den ironischen Sinn von „Notfallpersonal zu entsenden anhand von falschen Anschuldigungen“ bekommen hat.
Der oben erwähnte Mark Herring war ein Opfer eines solchen vorgetäuschten Notfalls. Er ist aber nur einer von vielen. „Swatting“ ist offenbar zu einem beliebten Sport geworden – nicht nur in den USA.
Dennoch vermute ich, dass der Begriff in Deutschland noch immer wenig bekannt ist. Aber nicht lange. Deshalb gehe ich davon aus, dass er sehr gute Chancen hat, Wort des Jahres für 2024 zu werden.
Wetten wir?
Falls ich recht habe, denken Sie jedenfalls daran: Sie haben dies zum ersten Mal beim Sprachbloggeur erfahren…
Zu Ihren Diensten, wie immer.
In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Bin auf Geheimmission.
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