Hmm. Was schreibt einer, wenn die Nachrichten immer bedrückender werden, und sich die eigene Hilflosigkeit und ja Sprachlosigkeit zunehmend bemerkbarer machen?
Lange Tiraden vielleicht über einen Lieblingsstandpunkt oder über Recht und Unrecht verfassen?
Hmm. Worüber soll ich wohl schreiben? Über Wörter natürlich! Denn schließlich betreibe ich einen Wortladen und bin letztendlich Wortschmied.
Freund M. sagte mir neulich, dass der wahre Feind nix anders als der Konsumismus sei. Worauf ich antwortete: „Und was ist mit dem Kommunismus?“ Er lachte. Er lachte nur deshalb, weil er wusste, dass ich lediglich einen dummen Sprachwitz machte, um dadurch nicht auf schreckliche Dinge, die ich ohnehin nicht verändern kann, ins Detail einzugehen.
Und so ist es: Um den Schreck und die Sprachlosigkeit zu entfliehen, flüchte ich in Worte! Die kann ich schmieden, wie ich will…oder auch erforschen.
Zum Beispiel Folgendes:
Vielleicht kennen Sie die Geschichte: Als neulich das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt der Ampel gekippt hatte, begründete es dies – zumindest teilweise – mit einem Hinweis darauf, dass das vorsorgliche Aufladen der Fonds – gemeint war das Corona-Hilfsgeld – den Verfassungsgeboten der Jährlichkeit und Jährigkeit widerspreche.
Alles klar?
Mir jedenfalls nicht. Doch eins nach dem anderen. Irgendwie bin ich in der Lage, den Begriff „Jährlichkeit“ zu verstehen. Zum Beispiel, wenn man über „jährliche“ Ausgaben diskutiert.
Vorsitzendem Google zufolge wird „Jährlichkeit“ folgendermaßen definiert:
„Der Begriff der Jährlichkeit (oder Annuität) wird benutzt, um die Wiederkehrwahrscheinlichkeit von z.B. Hochwasserereignissen anzugeben. Die Ermittlung der Jährlichkeit erfolgt auf Basis statistischer Auswertungen von Beobachtungsreihen und historischen Ereignissen.“
Meiner Meinung nach ein wenig umständlich erklärt, aber so ist es manchmal mit der KI. Vielleicht liegt es daran, dass hier der Vorsitzende diese Vokabel „Jährlichkeit“ streng juristisch verwendet.
Und „Jährigkeit“? Nebenbei: Wenn ich dieses Wort in meiner Word-Datei schreibe, wird es mit einem welligen, roten Strich versehen, was bedeutet: Word kennt das Wort nicht. Halte ich die Maus an diesem Strich, bietet mir Word Alternativen, als habe ich etwas falsch geschrieben. In diesem Fall heißen diese Alternativen „Fahrigkeit“, „Fähigkeit“, „Zähigkeit“.
Vorsitzender Google ist forscher als MS-Word. Er hat eine Antwort auf alles. Auf die Frage, was „Jährigkeit“ bedeutet, schreibt der Vorsitzende, z.B., Folgendes:
„jedes Jahr wiederkehrend', mhd. jærlich; vgl. ahd.“
Hier ist es aber offensichtlich, dass Google keine Ahnung hat. Vor allem deshalb nicht, weil er „Jährigkeit“ eindeutig mit „Jährlichkeit“ verwechselt. Nur deshalb bietet er die mittelhochdeutsche Vokabel „jährlich“ an. Auch die kurze Definition erinnert stark an die Definition von “Jährlichkeit“.
Ich bin aber stur und habe dann weiter geforscht. Diesmal mit Erfolg:
„Der Grundsatz der Jährigkeit ist ein Haushaltsgrundsatz, der besagt, dass die im Haushaltsplan erteilten Ermächtigungen nur für die Dauer desjenigen Haushaltsjahrs gelten, für das der Haushaltsplan durch die Haushaltssatzung (Kommunen) bzw. das Haushaltsgesetz (Bund, Länder) festgesetzt worden ist.“
Aha! Die „Jährlichkeit“ bezieht sich auf etwas, dass sich über Jahre hinweg wiederholen könnte. Die „Jährigkeit“ hingegen gilt für nur ein Jahr. Punktum.
Alles klar? Mir schon.
Und stellen Sie sich vor: Für ca. fünf Minuten haben Sie keinen Augenblick über jedwede schrecklichen Nachrichten nachgedacht.
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