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Interview mit dem Sprachbloggeur

(Ein Café in der Münchener Innenstadt. Aus dem Fenster sieht man, wie die Menschen – erst vor ein paar Tagen kurzärmelig angezogen – in dicken Jacken und Mänteln am Bürgersteig vorbeihuschen. Der Himmel ist betrübt, und eine gewisse Resignation ist auf den ernsten Gesichtern abzulesen. Mit beiden Händen umfasst der Sprachbloggeur seine heiße Schokolade. Der Interviewer schlurft kurz am Rande seiner Kaffeetasse)

Interviewer: Trinken Sie nie Kaffee, Herr Sprachbloggeur?

SB: Nein, ich scheine von Natur her ziemlich kaffeiniert zu sein. Wenn ich Kaffee trinke, spüre ich lediglich eine Unruhe, die mich nervös macht.

Interviewer: Aber von der Unruhe entsteht die Kreativität…oder?

SB: Mag sein, aber bei mir entsteht sie schon auch ohne Kaffee. Und deshalb bin ich wohl Schriftsteller geworden…

Interviewer: …Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche. Denn genau das wollte ich fragen. Warum schreiben Sie?

SB: Kennen Sie den Film „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang? Er erzählt von einem Kindermörder – von Peter Lorre großartig gespielt. Seine Untaten sind dermaßen scheußlich, dass allmählich auch die normalen Verbrecher in der Stadt um ihren „guten Ruf“ besorgt sind. Bald haben die Verbrecher den Kindermörder erfasst (vor der Polizei, versteht sich) und stellen ihn vor eine Art Verbrechergericht. Der Kindermörder verteidigt sich folgendermaßen: „Ihr raubt und mordet, weil Ihr wollt. Ich morde, weil…ich…muss!...“

Interviewer: Möchten Sie sich mit einem Kindermörder vergleichen?

SB: Nein, um Gottes willen nicht. Was ich mit dieser Figur gemeinsam habe, um Ihre Frage zu beantworten, ist die Tatsache, dass ich schreibe eben nicht, weil ich will, sondern weil ich muss.

Interviewer: Was bedeutet das?

SB: Wie soll ich’s sagen? In mir rumort etwas, was raus will – und zwar in Form von Sprache. Und diesen Zwang verspüre ich immer wieder. Wenn es in mir nicht rumoren würde, dann würde ich nicht schreiben.

Interviewer: Und was ist das, was in Ihnen „raus will“?

SB: Man braucht nur das zu lesen, was ich schreibe, um die Antwort zu bekommen. Sagen wir so: Es ist eine Mischung aus Freude und Schmerz, die ich in Worte unbedingt erfassen muss.

Interviewer: Und diese Freude, dieser Schmerz finden ihren Weg in Ihre Sprachbloggeur-Glossen? Vielleicht frage ich anders: Warum schreiben Sie ihre wöchentlichen Glossen?

SB: Sagen wir so. Der ursprüngliche Impuls war rein finanziell. Ich habe den Sprachbloggeur aus dem Boden gestampft, um Geld zu verdienen. Ich sollte online Texte über Wörter und Sprache für eine Zeitschrift schreiben. Damals war das Internet neu. Ich habe die Aufgabe gern erfüllt. Über Sprache nachzudenken macht mir Spaß. Nach ein paar Jahren aber wollte der Arbeitgeber nicht mehr bezahlen. Anstatt das Handtuch zu werfen, bin ich dann selbstständig geworden. Denn die Liebe zur Sprache hört bei mir nicht auf, nur weil ein Arbeitgeber (ich habe seinen Namen vergessen) abspringt. Also habe ich weiter gemacht. Das meine ich mit „weil ich muss“.

Interviewer: Sie schreiben diese Texte seit mehr als 15 Jahren. Inzwischen ist die Form namens „Blog“ zu einer Art Antiquität geworden. Im Zeitalter von Twitter, bzw. „X“, TikTok, Telegram, YouTube usw. wirkt ein Blog etwas altbacken. Meinen Sie nicht?

SB: Durchaus und deshalb weiß ich nicht, wie die Zukunft dieser Seite aussehen wird. Immerhin: Leben heißt Veränderung. Eine Hybride wäre, z.B., möglich.

Interviewer: Wie meinen Sie das?

SB: Vielleicht eine Mischung aus „old fashioned“ Blog und YouTube Kanal. Manchmal mache ich mir da Gedanken. Schon jetzt ist ein Text von mir (allerdings auf Englisch) in YouTube mit Musik und Visuellem von meinem Sohn zu sehen. Die Stimme ist nicht meine, sondern die, eines sehr talentierten Schauspielers in London. Man sucht bei YouTube unter Stichwort P.J. Blumenthal, und zack!, man findet das Video schnell. Aber wie gesagt. Ich bin noch am Überlegen, wie es weitergeht.

Interviewer: Vielleicht sollten wir dann dieses Interview ein anderes Mal fortsetzen. Ich bin auf Ihre künftigen Ideen und Pläne sehr gespannt.

SB: Ja, machen wir es so. Auch ich bin gespannt…

In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Der SB geht auf Forschungsreise.

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